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Die zwölf Stunden

[7.33] Nun sehet nur recht genau! Ich spreche wieder das Epheta, und sehet, das Schiff ist schon wieder bis zum Grunde durchsichtig geworden. Vor allem Andern sehet unsere holde Gleichsamgemahlin recht genau an! Sehet, wie schwach sie ist, daß sie sich kaum von ihrem Sitze zu erheben vermag. Nun gehet ein wenig in das Cabinet des Capitains.

[7.34] Sehet, wie da schon drei Colonisten mit demselben die Listen durchmustern, und zwar in Gegenwart des dortigen Gouverneurs. Nun sehet, 20 sind durchgestrichen, darunter auch unser Alte sich befindet, aber unsere Holde ist nicht ausgestrichen.

[7.35] Sehet, nun werden sie, nämlich die Listen, von dem Gouverneur und den Colonisten unterschrieben und bestätiget, und die Gefangenwärter verfügen sich nun hinab, machen die Gefesselten frei, nachdem sie ihnen die Hände an den Rücken zusammenbinden, und treiben sie so gestaltet hinauf auf das Verdeck des Schiffes. —

[7.36] Nun sehet, diese Gefangenwärter treten nun auch in das Gemach unserer Schönen, verkünden ihr ihr Loos, berauben sie der Kleider, und binden der darüber in verzweifelnde Ohnmacht Gesunkenen ebenfalls die Hände auf den Rücken und schleppen sie zu den Andern hinauf auf's Verdeck.

[7.37] Sehet, wie sie hier vor ihrem vermeintlichen Gemahl niederfällt, und denselben bittet mit aller Macht und Kraft, die einem weiblichen Herzen nur möglich ist, und ihm alles Mögliche vorstellt, wie unschuldig sie auf diesen Schreckensort verurtheilt wurde, und wie schändlich er ihr Unglück benützt hatte, sie, die so rein wie die Sonne war, zu benützen ärger, denn eine englische Matrosen-Bordellshure. —

[7.38] Sehet hin, und nehmt euch ein Beispiel von einem Menschen, der sich zur christlichen Religion bekennt!! — Sehet, wie er großherrlich dem Gefangenwärter befiehlt, der schreienden Bestie den Mund zu stopfen, und sie, so sie nicht wie die Andern ganz ruhig sich verhalte, alsogleich mit 30 Peitschenhieben zu belegen. Allein alles Dieses schreckt sie nicht ab, wenn ihr auch der Mund verstopft ist, durch allerlei Geberden und Ströme von Thränen aus den Augen den Unmenschen zu bewegen, sie doch wenigstens zu tödten, wenn sein Herz keines andern Mitleids mehr fähig sein sollte. —

[7.39] Allein sehet her, die Wirkung ihrer Bitte! Seht, wie sie zwei Schergen an den kleineren Mast mit einem Stricke anbinden über die Brust und über die Füße, und sehet, wie schändlich grausam die arme Unglückliche von dem Gefangenzüchtiger ungezählt gepeitscht wird. —

[7.40] Nun sehet, nachdem ihre Füße ganz von oben bis unten mit der scharfen Peitsche zerhauen sind, wird sie losgelöst und alsogleich mit den andern Verbrechern auf Stricken über Bord in kleinere Fahrzeuge gelassen, und also blutend an's unglückliche Land gebracht und sogleich zur Verfügung dem betreffenden Colonisten vom Gouverneure zugetheilt.

[7.41] Meint ihr, daß man sie alldort in irgend ein Spital gebracht hat? Da irret ihr euch! Das Pflaster auf solche Wunden besteht in nichts Anderem, als daß eine solche eine halbe Stunde lang sich in's Meer, wo es sehr seicht ist, setzen darf. Das ist die berühmte Heilart dort zu Lande. Es hilft zwar; aber denkt euch den brennenden Schmerz, besonders bei einem so reizbaren Mädchen!

[7.42] Nun hier sind wir fertig. Wir wollen nur noch einen kleinen Blick machen, was mit diesen Unglücklichen nun ferner geschieht. Seht, da mehr im Innern, ungefähr nach euerer Rechnung 100 Meilen von der Küste, da sehet, wie diese Armen mit ihren Werkzeugen unter der Leitung mehrerer Aufseher mit allen den euch von der Beschreibung dieses Landes ein wenig bekannten Uebeln kämpfen müssen; wie sie gleichsam zwischen zwei Feuern stehen.

[7.43] Da heißt es wahrlich nach eurem Sprichworte: Vogel friß oder stirb! Was macht sich da ein solcher Hauptcolonist daraus, ob 20 oder 30 seiner meistens noch mit Fesseln belegten Untergebenen von Schlangen verzehrt werden, oder ob sie oft in dem klafterhohen Grase in plötzlich durchbrechende Sümpfe versinken, oder ob Einer oder der Andere von den bekannten Adlern angefallen und zerfleischt wird; oder wenn zur Ausrottung einer irgendwo aufkeimenden euch bekannten Giftpflanze noch mehrere zu Grunde gehen.

[7.44] Sehet, aus allem Dem macht sich ein solcher Colonist wenig oder gar nichts; denn für sein Haus ist er hinreichend versorgt, auch ohne solche neu hinzugekommene Arbeiter.

[7.45] Wenn er allenfalls durch solche neue Vordrangsversuche dem Lande wieder einen bedeutenden Theil abgewinnen kann, so ist es ihm recht; wenn aber Solches durch alle die grausamen Versuche fehl schlägt, so macht er sich auch nichts daraus; denn er ist, wie er selbst sagt, ohnehin versorgt.

[7.46] Ihr werdet vielleicht meinen, daß, so diese Verbrecher ein neues Stück Landes urbar gemacht haben, dasselbe werde dann vielleicht Einem oder dem Andern zum zinsbaren Eigenthum eingeräumt.

[7.47] O nein, sage Ich; ein solcher Kolonist benützt das Land zu ganz andern Zwecken. Er läßt wohl hie und da Arbeitshütten errichten; aber was immer der Boden trägt, gehört von A bis Z sein.

[7.48] Die Arbeiter haben nichts als die elendeste, kaum genießbare Kost, und wenn sie manchmal nicht völlig verhungern wollen, fangen sie Schlangen und Eidechsen zusammen, schlagen ihnen die Köpfe weg, und braten sie am Strohfeuer und verzehren dieses Fleisch mit dem größten Appetite; denn da heißt es wahrlich auch wieder nach eurem Sprichworte: der Hunger ist der beste Koch. —

[7.49] Ja dieser Hunger geht oft bei Einigen so weit, daß sie sich nicht einmal die Zeit nehmen, eine solche Schlange zu braten, sondern, wenn der Kopf, Haut und Eingeweide abgenommen sind, so wird sie alsobald verzehrt.

[7.50] Eine neue Plage für diese Armen ist noch das, daß sie besonders im nördlichen Theile auf Ureinwohner stoßen, welche gute Bogenschützen sind, und mit vergifteten Pfeilen sie zurücktreiben, oder sie nehmen Solche gefangen und verzehren sie roh.

[7.51] Sehet, solche Annehmlichkeiten ohne Zahl und Maß haben diese Armen hier zu erleiden; und die Züchtigungen, die sie noch obendrauf von ihren Befehlshabern und Vorstehern empfangen, welche noch weit unmenschlicher sind, als wie bei den Nordamerikanern, können hier im Vergleich mit den Landplagen in kein Verhältniß gestellt werden. —

[7.52] Und sehet, so ist auch unsere Arme schon auch hier bei einer Grasabschneiderischen Arbeit. Bei euch ist das Grasmähen freilich eine belustigende Arbeit; aber dahier haben die Arbeiter mit förmlichen Grasurwäldern zu thun, innerhalb deren undurchdringlichen Dickichten besonders zur Sommerszeit eine Unzahl von gewaltig stechenden Insecten hausen, welche dann über diese nackten Arbeiter dergestalt herfallen, daß nach einigen Tagen nichts mehr zurückbleibt, als zusammenhängende Gerippe.

[7.53] Geschieht diese Cultivirung aber im Winter, und zwar durch's Feuer, so geschieht es nicht selten, daß das Feuer oft so gewaltig wird, daß sich die Flammen auf den Boden oft stundenweit durch das dürre Gras hinwälzen; und wenn die armen Brandleger nicht schnell genug ihre Flucht ergreifen, so werden sie entweder ganz verbrannt, oder doch oft am ganzen Leibe stark feuerverwundet.

[7.54] Das Aergste aber ist das, wenn irgend das Feuer erstickte, so müssen dann die armen Brandleger oft stundenlang über solche oft noch glühheiße Asche laufen, um daselbst, wo das Feuer erstickte, dasselbe wieder neu anzufachen.

[7.55] Es ist ihnen zwar wohl gestattet, eine gewisse Art Bretchen an die Fußsohlen anzubinden; aber oft verbrannten diese Bretchen schon im halben Laufe, und dann ist es einerlei, ihre Fußsohlen werden ihnen demungeachtet noch gar oft bis zum Bein verbrannt. —

[7.56] Anderer noch unzähliger Leiden und Krankheiten, die in diesem Lande heimisch sind, nicht zu gedenken! Von der Westküste brauche Ich euch nichts mehr zu sagen, als das Einzige, daß es dort noch zehnmal unmenschlicher zugeht, als im Osten, aus welchem Grunde die Colonisirung daselbst sehr schlechte Fortschritte macht. —

[7.57] Sehet, von allem Diesem ist nichts als die schändliche Habsucht der „moralischen" und sogar „christlichen" Menschen die Schuld.

[7.58] Daß Ich nun solchen Greueln nicht lange mehr zuzusehen vermag, werdet ihr ohne großes Nachdenken leicht begreifen; denn wahrlich, die Menschen thürmen ihre Sünden bereits bis in den dritten Himmel.

[7.59] Mehr brauche Ich euch nicht zu sagen. Und somit Amen für heute; die achte Stunde wird euch noch Größeres und Merkwürdigeres verkündigen! —

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