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Die zwölf Stunden

Siebte Stunde

Der arge Dienstgeber

Australien. Die Verbrecher-Kolonie Botany Bay. Beschreibung des Landes. Habsucht der Kolonisten.

[7.1] Nachdem wir das Schiff, dessen Bedeutung euch sicher nimmer fremd sein wird, in seiner gräuelhaften Handlungsweise hinreichend betrachtet haben, so wollen wir dasselbe verlassend einen Vorsprung machen, und das viernamige Land, welches nach eurer Bestimmung zwischen dem 131. und 171. Grade östlicher Länge wie auch zwischen dem 10. und 30. Grade südlicher Breite liegt, ein wenig zum Voraus in den Augenschein nehmen.

[7.2] Denn solches ist allhier für euch notwendig, weil ihr mit der Beschaffenheit, Einteilung, wie auch mit den klimatischen Verhältnissen daselbst noch am wenigsten vertraut seid; und so seht denn her auf diese euch wohlbekannte Tafel!

[7.3] Das Land, das sich euch darstellt, seht es nur gut an, ist das eigentliche Australien, Süd-Indien, Ozeanien und Polynesien. Seht, der südliche Teil dieses Landes, wie er noch aus unübersehbaren Pfützen und Morasten besteht, in welchen, so ihr eure Blicke recht schärfen wollt, ihr eine zahllose Menge von giftigen Ungeheuern und allerlei Geschmeiß entdecken werdet.

[7.4] Und seht, wie da weiter südlich eine Menge Korallenringinseln sich fast bis zur Südpolregion fortziehen; aus welcher Ursache die südliche Küste dieses Landes nicht umfahren werden kann, wie es auch zu Lande eine Unmöglichkeit ist, diese südliche Küste, die eigentlich keine Küste ist, zu erreichen, und ihre Beschaffenheit zu erforschen.

[7.5] Welche Bekanntschaft darob noch umso schwerer zu machen ist, da dieses Land meistens aus unabsehbaren Ebenen besteht, welche nur hie und da mit kleinen unbedeutenden Hügeln unterbrochen werden; denn bedeutende Berge gibt es in diesem Land durchaus nicht, bis auf einige Korallen und Schiefer und Felsen an den Küsten.

[7.6] Dieses bisher bekannte Land hat in seinem Kontinent einen Flächenraum von beinahe 200 000 Quadratmeilen, auf welchem Flächenraum bei zwei Millionen und etliche sechzig Tausend Menschen wohnen.

[7.7] Die bewohnbarsten Ländereien befinden sich meistens an der Ostküste, welche euch auch schon mehr oder weniger bekannt sein dürften, als z. B. die Ländereien unter dem Namen: Karpentaria, Arehmesland, Witsland, Edelsland, Eintrachtsland, Leuwiesland, Nuytsland, Flintersland, Baudingsland, Grantsland und noch einige weniger bekannte Namen, an denen freilich nichts gelegen ist.

[7.8] An dieser östlichen Küste befindet sich ein Landungsplatz unter dem Namen Botany Bay, an welchem Ort schon seit einem Verlauf von kaum zehn Jahren bis auf den gegenwärtigen Augenblick bei 170 000 Verbrecher von den Engländern ausgeschifft, und von da in die verschiedenen Ländereien verteilt wurden.

[7.9] Aber nicht allein diese östliche Küste hat eine solche Bestimmung, sondern auch im Westen werden jetzt beinahe vorzugsweise solche Deportierte ausgeschifft.

[7.10] Da seht einen Fluss, der sich dahier in das Meer ergießt; es ist der so benannte Schwanenfluss, und an seinen Ufern seht ihr auch eine ziemliche Stadt erbaut, von welcher aus nun eine Kolonisierung durch dahin gebrachte Verbrecher bewerkstelligt wird; aber mit viel schlechterem Erfolg denn auf der Ostküste; denn hierher werden gewöhnlich nur die allerschlechtesten Spitzbuben Englands gegen eine Contreprise der Holl- und Niederländer, denen diese Küste gehört, verkauft, um dahier die höchst unwirtbare Gegend zu kultivieren.

[7.11] Auf der Ostküste ist längere Zeit schon, nämlich auf Botany Bay, eine Stadt erbaut; sie wird Sidney genannt, wie die ganze Küste Neusüdwales.

[7.12] Merkt euch aber für jetzt nur den westlichen Punkt; denn nachdem wir unser Schiff werden in Botany Bay landen sehen, wollen wir uns hierher verfügen, allwo die Menschenmarterei ums Undenkliche ärger ist als auf der Ostküste.

[7.13] Bevor wir aber diese Hauptspektakel in den Augenschein nehmen wollen, will Ich euch noch mit dem Land selbst näher vertraut machen, damit ihr euch dann desto leichter einen wirklichen Begriff machen könnt, was das heißt, und sagen will, dahin entweder schuldig oder wohl gar unschuldig als Deportierter gebracht [zu] werden.

[7.14] Nun seht her, wie es aussieht im Innern des Landes! Ihr meint, diese unabsehbaren Gefilde für euer Auge sind nichts als lauter Gebüschwälder.

[7.15] O nein, sage Ich; es ist das Gras und muss es euch nicht wundern, wenn ihr da stellenweise drei bis vier Mann hohes Gras erblickt.

[7.16] Es gleicht dieses Gras dem sogenannten Seerohr, und ist auf keine andere Weise auszurotten, als wenn es trocken geworden ist, durchs Feuer. Das Feuer muss aber zu einer Zeit angezündet werden, wenn von Norden Winde wehen; denn Winde aus dem Süden ersticken das Feuer.

[7.17] Ihr möchtet sicher auch einen Baumwald sehen; allein solche Wälder gibt es hier nur sehr wenige, und die Bäume, die da besonders gegen die südlicheren Regionen wachsen, sind oft kaum so groß und hoch als manches Gras, und bringen sehr wenig genießbare Früchte zum Vorschein.

[7.18] In dem nördlichen Teil, wie auch an der östlichen Küste gibt es freilich schon häufig andersartige Anpflanzungen, welche aber samt und sämtlich nicht gar wohl fortkommen, und verändern nach und nach auch merklich ihre Natur.

[7.19] Und so werden die Birnen oft ganz holzig, und an dem Stiel breiter denn an der Krone. Den Kirschen wachsen die Steinkerne oft auswendig an der Haut, und die Frucht selbst wird wässrig; u. dergl. euch vielleicht sonderbar klingende Veränderungen erleiden noch verschiedene andere Anpflanzungen. Am besten kommen noch die euch noch wenig bekannten Schlangennüsse fort, wie auch an der nördlichen Küste Kokosnüsse, indianische Feigen, das sogenannte Johannisbrot und eine Art Melonenpflaumen.

[7.20] Es muss aber viele Sorgfalt getragen werden, dass die gewissen Schlangennüsse nicht von einem gewissen roten Insekt angestochen werden; fällt dann eine solche angestochene Nuss in die Erde, so wird eine Afterpflanze von höchst giftiger Art aus ihr, welche noch ums Zehnfache ärger ist denn der sogenannte Bohonupas; denn wie sie nur ein Schuh hoch ihre Blätter über die Erde getrieben hat, so haben diese Blätter eine so heftige verheerende Giftausdünstung, dass sie nicht nur alle Tiere und Menschen, die sich ihnen nahen, töten, sondern sie richten auch oft in einem Umkreis von einer Stunde unter den Pflanzen eine solche Verheerung an, dass in kurzer Zeit nicht einmal eine Steinmoospflanze fortkommt, sondern es verdorrt alles, und wird zu einer Art Asche.

[7.21] Das Glück ist bei dieser Pflanze noch das, dass sie nicht über ½ Jahr vegetiert, sondern mit dem Winter alsobald wieder verdirbt, und somit unschädlich wird.

[7.22] Und da wir nun die Pflanzenwelt ein wenig angeschaut haben, so wollen wir noch einen kurzen Blick auf die Tiere werfen.

[7.23] Zuerst seht, wie die Luft wimmelt von großen weißen Adlern, die an Kraft und Behändigkeit alles in ihrer Art weit übertreffen; ihre Raubgier ist besonders zur Winterszeit so groß, dass sie mehr im Innern des Landes die Menschen gleich fliegenden Wölfen anfallen.

[7.24] Nebst ihnen gibt’s noch eine andere Gattung bösartiger Vögel, welche fast das Aussehen von einem Strauß haben; sie haben statt der Federn Haare, und haben einige gar keine Flügel, andere aber haben Flügel gleich einer Fledermaus.

[7.25] Diese Vögel haben oft über klafterlange Beine, und können mittels denen so schnell laufen, dass es ihnen ein Leichtes ist, in einer Stunde zehn Meilen zurückzulegen. Wenn sie ihre Beute erreicht haben, so schlagen sie diese mit einem Bein nieder, und machen sich dann über ihre bereitete Mahlzeit. Anderer Heere von kleineren und unschädlicheren Vögeln nicht zu gedenken.

[7.26] Unter andern ist noch zu bemerken ein vierfüßiges, mit einem starken Schnabel versehenes Säugetier; Vogelwolf wäre sein richtigster Name. Dieses Tier ist in seiner Art grausamer denn jeder Tiger.

[7.27] Was aber den Boden und die Sümpfe betrifft, so ist dieses ein wahres Vaterland von Schlangen, aller Arten Eidechsen, darunter sehr viele Gattungen mit Flügeln versehen sind, welche freilich nicht alle giftiger Art, aber doch mehr oder weniger schädlich sind.

[7.28] Im Innern kommt häufig eine große Art Fledermäuse vor, die sehr giftig sind, und haben noch ärger denn die Klapperschlange eine betäubende Wirkung in ihrem Blick, so dass jemand, den eine solche Fledermaus ins Auge gefasst hat, sobald wie von einem starken Getränk betäubt zur Erde fällt, und wenn ihm niemand zu Hilfe kommt und die hinzu flatternde Fledermaus erlegt, ihm diese sobald den letzten Blutstropfen aussaugt und dann gesättigt hell pfeifend davonfliegt.

[7.29] Was das Klima aber anbelangt, so ist dieses ein wahres Chamäleon; denn außer einigen östlichen und nördlichen Gegenden ist dasselbe so veränderlich, dass in manchen Gegenden jemand an einem Tag alle fünf Zonen zu kosten bekommt.

[7.30] Warum alles dieses hier so sonderbar gestaltet ist, wird euch zu seiner Zeit schon bekannt gegeben werden; aber so viel könnt ihr euch im Voraus merken, dass Ich mit gewissen Ländern der Erde ganz andere Zwecke verbunden habe, als dass sie von der schändlichen Habsucht der Menschen sollten vor der Zeit genotzüchtigt werden.

[7.31] So aber die Menschen in ihrer Tollheit vor der Zeit dringen in Länder, die noch nicht reif geworden sind, so geschieht es ihnen ja recht, wenn es ihnen ergeht wie verwahrlosten Kindern, die da unreifes Obst und giftige Beeren verzehren.

[7.32] Jedoch, wie schon gesagt, bei einer nächsten Gelegenheit wird euch davon mehreres kundgegeben werden. Und nun seht, während der Zeit wir uns so in diesem Land herumgetummelt haben, hat das euch schon bekannte Schiff in dem Hafen von Botany Bay seine Anker geworfen, und nun seht, da ist es schon! Denn, wenn man alles in einem Bild vor sich hat, braucht man keine lange Reise, um am bestimmten Ort zu sein.

[7.33] Nun seht nur recht genau! Ich spreche wieder das Epheta, und seht, das Schiff ist schon wieder bis zum Grund durchsichtig geworden. Vor allem andern seht unsere holde Gleichsamgemahlin recht genau an! Seht, wie schwach sie ist, dass sie sich kaum von ihrem Sitz zu erheben vermag. Nun geht ein wenig in das Kabinett des Kapitäns.

[7.34] Seht, wie da schon drei Kolonisten mit demselben die Listen durchmustern, und zwar in Gegenwart des dortigen Gouverneurs. Nun seht, zwanzig sind durchgestrichen, darunter auch unser Alter sich befindet, aber unsere Holde ist nicht ausgestrichen.

[7.35] Seht, nun werden sie, nämlich die Listen, von dem Gouverneur und den Kolonisten unterschrieben und bestätigt, und die Gefangenwärter verfügen sich nun hinab, machen die Gefesselten frei, nachdem sie ihnen die Hände an den Rücken zusammenbinden, und treiben sie so gestaltet hinauf auf das Verdeck des Schiffes.

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