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Die zwölf Stunden

Eilfte Stunde.

[11.1] Ihr habt gelesen in Meinem Buche die Geschichte des verlorenen Sohnes, und werdet diese Geschichte nicht nur einmal, sondern öfter schon gelesen und gehört haben. Aber Ich sage euch, es giebt wohl in dem ganzen Buche keinen Vers und kein Capitel, das da Größeres in sich fassen möchte, denn der verlorne Sohn.

[11.2] Auch wird es nicht leichtlich eine Stelle geben, die für euch schwerer zu verstehen sein möchte, denn eben diese. Und das zwar aus der Ursache, die ihr wissen sollet, da sie von größter Wichtigkeit ist, und ist als solche ein unerläßlicher Schlüssel zur innern Beschauung. —

[11.3] Es ist aber diese Ursache folgende und lautet also: Oft rede Ich aus Meiner Weisheit durch die Liebe erhabene Dinge; oft aber aus der Liebe durch das Licht der Weisheit kleinlich Scheinendes. Nun merket, im ersten Falle wird euch nur so viel geboten, als es eurer jewaigen Individualität zu ertragen möglich ist; im zweiten Falle aber wird euch eine verhüllte Unendlichkeit gegeben, mit deren endlicher Entwicklung Ewigkeiten nicht fertig werden. —

[11.4] Und sehet, eine eben solche kleinlich scheinende Gabe ist auch der verlorne Sohn; ja, Ich sage, wüßtet ihr, was Alles hinter dem verlornen Sohne steckt, wahrlich, es würden Erzengel zu euch in die Schule kommen.

[11.5] Ich habe auch in den vorhergehenden zehn Stunden so Manches gezeigt, wie es in der gegenwärtigen Zeit auf der Erde zugeht, wobei Ich euch freilich noch die allergrößten Schändlichkeiten verschwiegen habe. Ich habe euch gezeigt das Mangelhafte der Jurisprudenz im Allgemeinen; Ich habe euch gezeigt die Tollheit Asiens, wie die Barbarei Afrika's; Ich habe euch gezeigt die Schändlichkeiten Amerika's, freilich nur einen sehr geringen Theil davon; Ich zeigte euch die Rechtspflege Englands, vorzugsweise in seinen äußern Verhältnissen, wie auch die Behandlung der Verbrecher auf denen euch bekannt gegebenen Küsten Australiens. So habe Ich euch auch im tiefen Süden gezeigt ein gemißhandeltes Land, wie es war, und wie es größtentheils noch jetzt ist; jedoch eben bei diesem Lande muß Ich euch auf Etwas aufmerksam machen, und zwar zuerst vorzüglich auf das, daß ihr auf dieses eben von diesem Lande Ausgesagte eine doppelte Aufmerksamkeit richten, und für's Zweite, daß ihr eben das von diesem Lande Ausgesagte am allerwenigsten buchstäblich nehmen sollet; warum, wird euch die Folge zeigen. Ferner habe Ich euch noch gezeigt die höchst tyrannisch strengen Verhältnisse anderer Inselstaaten und vorzugsweise des Japanischen, und so noch Einiges in Kürze über den nördlichen Staat Rußland.

[11.6] Obschon zwar sich die Sachen in der Welt so verhalten, so sind aber dessenungeachtet diese Verhältnisse von Mir euch nicht deßwegen kund gegeben worden, damit ihr daraus ersehen sollet, wie es allenfalls in der Welt zugeht, denn Solches und noch tausendmal Aergeres werdet ihr ohnehin künftig nur zu oft zu lesen bekommen; sondern die Ursache, darum Ich euch Solches kund gegeben habe, ist keine andere als diese, daß ihr daraus das große Geheimniß des verlorenen Sohnes ein wenig zu eurem größten Nutzen tiefer erkennen möchtet.

[11.7] Ihr denket euch jetzt freilich, was hat denn der verlorne Sohn mit all' diesen Weltgrausamkeiten zu thun? — und seid voll Neugierde, wie sich aus all' diesem Weltlabyrinthe der verlorne Sohn zurecht finden wird. Aber Ich sage euch: Es ist denn doch noch leichter, aus allen diesen Scenen den verlornen Sohn herauszufinden, und selben zu begreifen, denn der Durchgang eines Kameeles durch ein Nähnadelloch.

[11.8] Um das Ganze zu verstehen, ist es nöthig, daß ihr vor Allem erfahret, wer dieser eigentliche verlorne Sohn ist. So Ich euch den verlornen Sohn zeigen werde, auch nur dem Namen nach, wahrlich ihr müßtet mit mehr denn siebenfacher Blindheit geschlagen sein, so ihr nicht im Augenblicke merken würdet, daß euch eine große Decke von den Augen genommen wurde; und nun bereitet euch vor und vernehmet den Namen!

[11.9] Sehet, er heißet Lucifer! — Sehet, in diesem Namen steckt das ganze für euch ewig unerfaßliche und endlose Compendium des verlornen Sohnes. —

[11.10] Nun denket euch, daß die gegenwärtige beinahe gesammte Menschheit nichts als Glieder dieses einen verlornen Sohnes sind, und zwar namentlich vorzugsweise diejenigen Menschen, welche aus Adam's ungesegneter Linie abstammen. Sehet, dieser verlorne Sohn hat alles Vermögen, das ihm gebührte, herausgenommen, und vergeudet nun dasselbe durch für eure Begriffe zu endlos weit gedehnte Zeiträume.

[11.11] Ihr wißt aus der Geschichte des verlornen Sohnes, wie es mit seinem Endschicksale ging. Nun sehet all' diese Verhältnisse der Welt durch; und wahrlich, ihr werdet nichts Anderes erblicken, als die Endschicksale im ausgedehnten Maßstabe des verlornen Sohnes.

[11.12] Sehet die mangelhafte Rechtspflege; was meinet ihr, worin diese wohl ihren Grund haben möchte? Wahrlich nirgends anders, als im Leichtsinne und der daraus hervorgegangenen Gewissensstumpfheit. —

[11.13] Nun sehet wieder den verlornen Sohn an, ob das nicht der erste Fall mit ihm ist, als er das väterliche Haus verläßt? Betrachtet ihr die Tollheiten Asiens; was sind sie, als die natürliche Folge, die die Zeitfolge nach und nach bis auf den gegenwärtigen Culminationspunkt der Scheußlichkeit ausgebildet hat? —

[11.14] Nun gehet weiter hin auf Afrika; führet den verlornen Sohn bei der Hand mit, und wenn ihr nur einen einigermaßen geschärften Geistesblick dahin richtet, so werdet ihr nicht nur in der gegenwärtigen Lage, sondern in allen erdenklichen Situationen dieses Landes, ja Ich sage, nicht nur Egyptens, sondern ganz Afrika's mit wunderbarer Treue entdecken, —

[11.15] und das zwar nicht nur in dem und aus dem, was die gegenwärtige Zeit bietet, sondern durch alle Zeitperioden, dahin nur irgend eines Menschen Gedanke zu reichen vermag und darüber noch, daß da der verlorne Sohn in demselben Verhältnisse, als er sein Vermögen vergeudet hatte, sich befand, allda er ebenfalls auf allen möglichen Wegen gedachte zu irgend einem Besitzthume, das dem früheren gliche, sich wieder zu erheben; allein, sehet nur all' die fruchtlosen barbarischen Bemühungen dieses ganzen Welttheils, wozu es eigentlich alle die daselbst reich werden Wollenden bringen?

[11.16] Vieles wird euch die Geschichte der Vergangenheit zeigen, und eben dasselbe zeigt euch unwiderruflich auch die Gegenwart dieses gesammten Welttheils. Denn Ich sage euch, nicht nur ein jeder einzelne Mensch, nicht nur ein jedes einzelne Volk, sondern der ganze Welttheil vom ersten bis zum letzten Sandkörnchen, ja vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahle, in allen einzelnen Ländereien, Gebirgen, Flüssen, Wüsteneien, Thieren, wird das Verhältniß des verlornen Sohnes treulich dargestellt, wie auch von der Urgeschichte angefangen bis auf den gegenwärtigen Zeitpunkt und noch fernerhin. —

[11.17] Jetzt erfasset den verlornen Sohn wieder bei der Hand; aber vergesset nicht, ihm bei dieser Reise Sclavenketten anzulegen, und gehet mit ihm nach Amerika; wahrlich, ihr müßtet blinder sein, denn der Mittelpunkt der Erde, wenn ihr denselben alldort nicht in allen erdenklichen Nüancen vertausendfältigt antreffen möget. Hier brauche Ich euch nichts Weiteres zu sagen als, daß das nördliche Amerika sein Inneres, das südliche aber sein Aeußeres darstellt, aus welcher Ursache auch dieses Land schon in seiner Form eine insectenartig ausgehungerte Gestalt des verlornen Sohnes darstellt.

[11.18] Wer Ohren hat, der höre, und wer Augen hat, der sehe. Ihr werdet Alle wissen, wie es dem verlornen Sohne in seiner letzten Periode gegangen ist, da der euch bekannte innere geheiligte Funke Afrika's in ihm erweckt wurde; in Australien findet er einen Dienstgeber, der ihm nicht einmal das Futter der Schweine gestattet, so daß er genöthiget ist, seinen Magen zu füllen mit Allem, was ihm nur vorkommt.

[11.19] Jetzt werdet ihr denken, was wird denn der verlorne Sohn wohl in Neuseeland machen? Wir brauchen ihn auch gar nicht nach Neuseeland zu schicken, sondern es wird uns wahrlich keine große Mühe kosten, das Neuseeland am verlornen Sohne selbst zu erkennen.

[11.20] Merket denn: Der Süden bedeutet das Allerauswendigste des Menschen. Nun betrachtet ein wenig den verlornen Sohn, wie er in dieser seiner letzten Schauerprüfungsperiode eben nicht nach dem neuesten Pariser Journale gekleidet ist; nur höchst dürftige und schmutzige Lumpen bedecken seine Schamtheile.

[11.21] Nun sehet, da haben wir ja schon die getreue Landkarte, die um die Blößen unseres Verlornen flackert; dehnen wir, oder vergrößern wir unseren verlornen Sohn, und machen bei der Gelegenheit auch eine kurze beobachtende Visite der gegenwärtig bestehenden christlichen Kirche. Gleicht sie nicht diesem Lande? Möget es betrachten, wie ihr wollt, entweder geistig, wie Ich es euch gezeigt habe, oder auch materiell, wie ihr es nur immer irgendwo beschrieben finden möget; wahrlich, ihr müßtet schon wieder blinder sein, denn der Mittelpunkt der Erde, wenn euch die auffallende Ähnlichkeit dieses Landes mit den Fetzen des verlornen Sohnes, und diese mit der Kirche entginge.

[11.22] Wie dort von den Winden die Armseligkeiten dieser Bewohner, wohlverstanden, verwehet werden, dasselbe that der Wind mit den morschen Lumpen des verlornen Sohnes, und dasselbe thun jetzt die heilig wehenden Winde von Oben mit denen sammt nnd sämmtlich mehr heidnischen denn christlichen Kirchensecten. —

[11.23] Es wird nun von euerer Seite keiner allzutiefen mathematischen Kenntnisse bedürfen, um heraus zu bringen, um welche Stunde des großen Tages es nun sei. — Wenn ihr noch einen Blick auf Japan werfet, das wird euch auf den Fingern vorzählen und mit den allerdeutlichsten Zeichen die innere Beengung des verlornen Sohnes wie auch der gegenwärtigen kirchlichen Verhältnisse, was ihr Inwendiges betrifft, mehr denn sonnenklar anzeigen.

[11.24] Mehr brauche Ich euch da nicht zu sagen. Was sagt ihr aber zu einem sehr kranken Menschen, wenn seine Füße kalt geworden sind und auf seinem Haupte kalte Schweißtropfen sitzen? Wahrlich, es bedarf dazu keines medicinischen Rigorosums, um gewisserart in prophetischem Geiste aussprechen zu können: nur einige wenigen schweren Pulsschläge noch, und der Qual- und Lebensmüde hat ausgerungen! —

[11.25] Für's Erste befühlet die Füße des verlornen Sohnes im Süden der Erde, für's Zweite befühlet sein Haupt in des Nordens großem Reiche, dann leget die Hand auf das alte müde Kirchenherz; wahrlich ihr müßtet schon wieder blinder sein, denn der Mittelpunkt der Erde, so ihr nicht auf den Fingern ausrechnen möchtet, um die wievielte Stunde des großen Tages es nun sei?

[11.26] Ihr werdet euch von der letzten Stunde noch gar wohl erinnern können, wie euch kund gegeben und erläutert wurde das zweite Gesicht. Ihr werdet euch jetzt wohl denken, sollte dieses zweite Gesicht auch noch mit dem verlornen Sohne irgend eine Wahlverwandtschaft haben? —

[11.27] O Meine Lieben! Wenn Ich Jemandem Etwas gebe, so gebe Ich es nicht so, wie die Menschen, die da selbst bei dem besten Willen nie etwas Ganzes geben können, sondern Ich gebe allzeit etwas Ganzes, und so sage Ich euch: Eben in diesem zweiten Gesichte wird euch erst der ganze Knoten gelöset werden, und ihr werdet nach dieser Lösung euch in eurer Rechnung nicht mehr können um eine Minute verirren.

[11.28] Kehren wir nun wieder zu unserem verlornen Sohne zurück, — und sehen ein wenig zu, wie er mit des Todes größter Noth ringt. Sehet seine Seele, wie sie gedränget ist bis auf einen Punkt; und wahrlich, so weit muß es auch kommen!

[11.29] Aber sehet, jetzt geschieht mit der Seele des verlornen Sohnes, was Ich euch kund gegeben habe von den Seelen, denen das zweite Gesicht dadurch wird. Sehet, ihre große Noth breitet sich jetzt in schnellen Schwingungen aus, und diese gelangen hin vor das große Vaterhaus, und die Schwingungen des lieberfüllten Vaters liebwechseln mit den Angst-, Elend- und Nothschwingungen des verlornen Sohnes.

[11.30] Die Seele des verlornen Sohnes empfindet ein solches heiliges, sanftes Wesen vom Hause des großen Vaters. Sie kehret aus diesen heiligen Schwingungen muthbeseligt wieder in ihr morsches Haus zurück, erhebt dasselbe wieder, und kehret dahin in der größten sich selbst vernichtenden Demuth, dahin, da ihr wißt, daß der verlorne Sohn gekehret ist.

[11.31] Was geschieht aber dort? — Sehet, die Lumpen nur werden dem Sohne ausgezogen und verbrannt; allein der Sohn wird, wie ihr wißt, wieder aufgenommen werden.

[11.32] Sehet, nun habt ihr das ganze bis auf diesen gegenwärtigen Augenblick unenthüllte Geheimniß der prophetischen Zahl des Menschen vor eueren Augen enthüllt. Wenn ihr nur einigermaßen die Verhältnisse der Zeit durchgehet, wahrlich, ihr müßtet mehr denn todt sein, wenn ihr jetzt noch nicht gewahren solltet die heiligen Gnadenschwingungen, die da ausgehen in Strömen nun von dem heiligen Vaterhause. —

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