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Robert Blum

[2.191.5] Spricht die Helena: „Nun, die werden wir im Namen des Herrn denn aufzumachen versuchen. Sieh, es steckt ja ein goldener Schlüssel daran! Also versuchen wir's!“ – Robert ergreift sogleich den goldenen Schlüssel und fängt an, ihn nach rechts und nach links zu drehen. Aber die große Türe will sich nicht öffnen. Er dreht wieder, und stärker als zuvor drückt er mit aller Gewalt an die beiden Torflügel – doch vergebens! Nimmer weichen sie seiner Gewalt.

[2.191.6] Darob wird ihm etwas bange und er spricht zu seiner Helena, sagend: „Siehe, mein geliebtes Weib, da ist wieder eine lebendige Antwort auf deine Frage, ob es mir nicht öfter vorkäme, als ob ich in der Fremde wäre. Ich muss dir hier offen gestehen, dass ich mich nun einmal wieder sehr in der Fremde fühle, ja als wie einer, der ganz verlassen ist von allen seinen früheren Freunden und Helfern in der Not. Sieh dich nur einmal um und sage mir, ob du selbst in der weitesten Ferne hinter uns jemanden erschauen kannst. Außer dem Freunde Kado, der uns ganz still aus eigenem Antrieb gefolgt ist, entdecke ich keine Seele und somit auch keinen Geist. Was sagst denn du, mein Engel, zu dieser nun ganz unerwarteten himmlischen Anrennerei?“ – Spricht Helena: „Ist wahrhaft sonderbar! Außer dem Kado sehe ich auch niemanden, und das Tor lässt sich nicht öffnen – und hat uns doch der Herr Selbst da hierher beordert. Geh, versuche es noch einmal zu öffnen die Türe! Ich werde dir selbst helfen – vielleicht wird es dann gehen.“

[2.191.7] Robert macht sich nun wieder an den Goldschlüssel und dreht ihn nach allen Seiten, währenddem die Helena stets an die beiden Flügel recht kräftig drückt. Die Operation geht eine gute Weile vor sich, aber ohne Effekt. – Als beide schon etwas abgemüdet sind, sagt die Helena: „Weißt du, mein geliebter Robert-Uraniel, über die Möglichkeit hinaus kann sich niemand zu einer Tat verpflichtet fühlen. Wir haben bereits alle unsere Kräfte daran verwendet, um zu öffnen diese Himmelspforte. Sie lässt sich aber durchaus nicht öffnen, wofür wir doch kaum etwas schulden können. Also bleibe sie denn in des Herrn Namen verschlossen. Den Freund Kado könnten wir zwar noch um eine gefällige Mitwirkung ansprechen. Wer weiß, vielleicht weiß er damit besser umzugehen als wir beide.“ – Spricht Robert-Uraniel: „Du hast aber auch recht! Das werde ich aber nun auch sogleich tun.“

(Am 14. Mai 1850)

[2.191.8] Hier spricht Robert-Uraniel den Kado an und sagt: „Liebster Freund, du hast uns sozusagen ganz allein bis hierher ein freundliches Geleit gegeben, während von all den vielen andern nicht ein bewegliches Atom irgendwo zu ersehen ist. Du hast auch des Herrn Auftrag an mich vernommen, wie ich mit meinem Weib hierher ziehen soll, und hier öffnen dies Tor. Allein alle meine noch so kräftigen Versuche scheiterten an der Widerkraft dieses Tors! Meines Weibes nicht unkräftige Mithilfe fruchtete auch nichts. Daher will ich dich hiermit ersucht haben, da du schon ohnehin hier bist, dass du mir noch einen, und zwar den dritten Versuch recht kräftig möchtest machen helfen. Vielleicht gelingt's uns dreien, diese riesige Himmelspforte denn doch zu öffnen – dann wohl uns! Gelingt es uns aber wieder nicht, was das offenbar Wahrscheinlichste ist – nun, so mag der Herr dann tun und machen mit uns, was Ihm wohlgefällt.“

[2.191.9] Spricht Kado: „Lieber Freund, dieses unermessliche Meer von Erscheinungen, die sich hier schnell aufeinanderfolgend die Hände bieten, macht aus mir eine Ohnmachtsmücke, und es wird dir mein Wirken sehr wenig Segen bringen. Quod licet Iovi, non licet bovi! [Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt!] Du bist dazu berufen und auserwählt; und ich nicht einmal glattweg berufen. Aber es macht das nichts! Ich werde dir dennoch die verlangte Hilfe leisten. Ob es dir aber etwas nützen wird? Natürlich, für das kann ich dir nimmer gutstehen! Du weißt es ja, dass das Himmelreich Gewalt braucht! Nur die werden es besitzen, die es mit Gewalt an sich reißen! Gewalt muss also hier geschehen dieser Pforte! Und so gehen wir's denn in Gottes Namen an!“

[2.191.10] Robert macht sich nun abermals an den Schlüssel und dreht ihn nach links siebenmal. Und da dadurch bei allem Kraftaufwand die Pforte noch nicht aufgeht, so dreht Robert den Schlüssel nach rechts so lange um, als sich der Schlüssel nur immer drehen lässt, und es wird während des Drehens in einem fort kräftigst an die Pforte losgedrückt. Allein die Pforte bleibt beharrlich verschlossen.

[2.191.11] Robert-Uraniel kratzt sich hinter den Ohren. – Und Kado sagt: „Ich habe es dir früher gesagt, dass es nicht gehen wird! Denn obschon ich eben noch nicht zu lange hier ein Bewohner des Geisterreiches bin, so weiß ich aber doch, dass diese geistigen Dinge um sehr vieles hartnäckiger sind, denn die irdischen. Ein Berg auf der Erde ließe sich eher versetzen, als wie so ein hartnäckiges Geistertor öffnen. Mein Rat wäre hier dieser, nämlich: die Geschichte abwarten. Die Gegend ist hier wahrlich wunderschön, und Gärten und Früchte aller Art gibt es hier auch in großer Fülle. Was wollen wir mehr? Dass unsere Bestimmung nicht darin bestehen kann, gleichfort sichtlich dem Herrn Gott Jesus auf der Nase zu sitzen, das werdet ihr hoffentlich ebenso gut einsehen, wie ich es einsehe! Es ist uns demnach ein Ort im Gottesreich angewiesen worden, wo wir so lange zu verharren haben werden, als bis uns von höheren Mächten diese große Himmelspforte aufgetan wird. Denn wir werden sie wohl ewig nimmer zu öffnen imstande sein. Was wir aber tun können, wäre meines Erachtens das, dass wir uns auch hier an den evangelischen Rat halten sollen, der nämlich also lautet: ‚Suchet, so werdet ihr finden! Bittet, so wird es euch gegeben, und pochet an, so wird euch aufgetan!‘ – Wer weiß, ob das Tor nicht schon offen stünde vor uns, so wir uns statt des Schlüsseldrehens an diesen evangelischen Rat gehalten hätten. Was meinst du, mein Freund, in dieser Sache?“

[2.191.12] Spricht Robert-Uraniel: „Ja, ja, Freund, du hast da durchaus recht! Dagegen lässt sich gar nichts einwenden! Aber dass der Herr mich förmlich genötigt hat, ja eilends voran mich hierher zu begeben und diese Pforte zu öffnen, da uns alle großwichtige Dinge hinter dieser Pforte erwarten. Und nun bin ich hier, erwartend die Eröffnung des Himmels – und richte mit der Pforte nichts! Siehe, das ist denn doch, bei Gott, etwas sonderbar! Aber sei ihm nun, wie ihm wolle, ich werde deinem Rat folgen.“

(Am 16. Mai 1850)

[2.191.13] Spricht hinzu die Helena: „Freunde, wahrlich wahr, es gehört viel dazu, um in das Himmelreich Gottes eingehen zu können. Wenn man auch schon, wie ich selbst, in der allerwahrsten Glühhitze der reinsten Liebe dem Herrn Selbst an der heiligen Brust gelegen hat, und da als ein Säugling gesogen die Gnadenmilch des Lebens, so nützt das aber dennoch, wie es hier ersichtlich ist, eben nicht gar viel. Denn kommt man dann vor die eigentliche Hauptpforte des Himmelreichs, so findet man diese ebenso gut verschlossen als einer, der etwa in geradester Linie von unten hergekommen. Es ist wahrlich höchst sonderbar! Mich geniert nun hier nichts als dies herrlichste Strahlengewand! Wenn ich so ein ganz ordinäres Bauernkleid statt diesem strahlenden hätte, so würde mich diese Verweigerung des Eintrittes in das eigentliche Himmelreich bei Weitem weniger genieren. Der Sauhalter muss auch als solcher bekleidet sein, sonst wird ihm entweder sein Amt oder er ihm selbst zu einem Überdruss werden. Wahrlich wahr, bei dieser Geschichte könnte man auf den Herrn ordentlich ungehalten werden. Früher Milch und Honig von bester Qualität – und nun eine tinctura amara [bittere Tinktur] darauf. Und an der Stelle des Himmelsbrotes, das man ehedem schon im wahren Übermaß genossen, kommt nun eine Hafergrütze! Prosit Mahlzeit! No, gespührst du so was, Robert!? Das wird eine sonderbare himmlische Süßigkeit abgeben! Aber wenn ich arme Närrin nur dieses dummen Kleides loswerden könnte! Mich geniert's nun schon ganz entsetzlich! Gefällt, mein geliebtester Robert, dir noch dein uranisches Sternengewand?“

[2.191.14] Spricht Robert: „Wäre mir gleichwohl auch ein anderes um eine ganze Million lieber, aufrichtig wahr gesprochen! Ich komme mir nun in diesem göttlichen Sternenkleid wie so ein gefoppter himmlischer Esel vor. Bei Gott, eine lederne Hose und eine Jacke vom gröbsten grauen Tuch wäre mir um ein ganzes Leben lieber! Ich habe mich aber in meinem ganzen irdischen und geistigen Leben nie so impertinent wahrhaft bettpisserisch geschämt, als diesmal in diesem fatalen Himmelsgewand. Wenn ich es nur gegen ein anderes vertauschen könnte.“ – Spricht die Helena: „Ich gäbe das meine um den allerschmutzigsten Küchenfetzen her. Denn es gibt wahrlich nichts Erbärmlicheres als zu tragen ein Königsgewand auf einer Sauhaulterwiese.“

[2.191.15] Spricht Kado: „Meine liebsten Freunde, ihr redet mir aus dem Herzen! Das muss auch Christus als Gott und Herr der Unendlichkeit tief gewollt und gefühlt haben, da Er so oft gegen die Kleiderpracht so sehr geeifert hat, und trägt auch als Herr der Unendlichkeit hier im Reich alles Lichtes wahrlich das lichtloseste ganz allereinfachste Kleid. Ich bin selbst ein größter Feind von jeder Kleiderpracht, mag sie nun auf der Welt materiell oder hier im Reich des Geistes geistig sein. Wahrscheinlich sind die Prachtgewänder in den Himmeln, mit denen die weisen Engel angetan sind, jene Flecken an ihnen, die das reinste Gottesauge an ihnen ersieht. Denn es heißt irgendwo in der Schrift: ‚Auch an den Engeln erschaut Dein Auge, o Herr, Mängel!‘ – Daher gebe ich euch ganz recht, dass ihr euer für hier unpassendes, prachtvollstes Himmelsgewand verabscheut. Aber wo nun ein anderes hernehmen? Daher behaltet es, solange kein anderes zu bekommen sein wird. Sehen kann uns offenbar doch kein vierter, weil er nicht da ist. Wir drei aber wissen es ja, was wir davon zu halten haben. Deshalb sollen euch diese strahlenden Himmelsfetzen auch gar nicht genieren. Haben sie nun vorerst in euren Augen keinen Wert, dann ist alles wohl gut und recht; denn in meinen Augen hat solch ein selbst himmlischer Flitter nie einen Wert gehabt. Aber was werden wir nun vor dem Öffnen der Pforte beginnen? Werden wir zu bitten, zu suchen und zu pochen beginnen?“

[2.191.16] Spricht die Helena: „Ich meine, das werden wir schön fein bleibenlassen. So sie uns der Herr nicht öffnen will, so soll sie denn gleichwohl verschlossen bleiben in alle Ewigkeit, Amen!“ – Spricht Robert: „Hast eben nicht ganz unrecht, du meine allergeliebteste Helena! Aber weißt du, so man es schon einmal bis zur – sozusagen – letzten Himmelspforte gebracht hat, da soll man sich denn doch noch einige Mühe geben, auch durch diese zu kommen. Bitten ist gerade keine Schande, suchen noch weniger und was am Ende das Anklopfen betrifft, so will ich mich selbst gleich einem irdischen Regimentstambour auf die beiden Flügel hermachen und einen Lärm machen, der sich gewaschen haben soll. Nein, aber das gefällt mir nun erst – ehedem machte ich schon, als selbst ein Engel, mit dem Sahariel die gedehntesten Himmelsdurchwanderungen und nun stehe ich wieder in eurer Gesellschaft als ein barster Ochse am Berg. Es geht uns nun nur noch die famose Minerva ab! Das wäre wirklich ein Spaß, diese hier über diese Torsperre losziehen zu hören!“

[2.191.17] Spricht Kado: „Nur den Wolf nicht genannt, sonst kommt er gerannt! Und so ich mich nicht irre, so kommt sie schon daher, uns eine Visite zu machen. Nun sehen wir, wie wir ihrer loswerden!“ – Spricht dazu die Helena ganz verblüfft über diese Erscheinung: „Aber die muss ein feines Gehör haben. Nun, nun, nun, du mein liebster Robert-Uraniel, das wird eine hübsche Geschichte werden. Hast aber auch müssen deren Namen so gewisserart als nun in dieser unserer ohnehin zuwidern Lage wissgierig nennen. Nein, nein, das wird nun eine schöne Mette werden! Am Ende zieht sie uns noch alle drei mit sich in die allerunterste Gott-steh-uns-bei!“

[2.191.18] Spricht Kado: „Ah, von dem ist keine Rede; aber das eigentlich etwas Fatale besteht nur darin, dass man ihrer nicht so bald wieder loswerden kann, so sie einmal da ist.“ – Spricht Robert: „Ja, so suchen wir es ihr zu verhindern, dass sie nicht herkomme; denn mit so viel göttlicher Kraft und Gewalt werden wir ja etwa doch noch ausgerüstet sein!“ – Spricht Kado: „Versuche es! Aber ich meine, dass dies nichts nützen wird; denn sie wird gleich sagen, dass auch sie das vollste Recht habe, vor die Pforte des Gotteshauses zu kommen und da zu begehren den Einlass. Ob sie hineingelassen wird, das ist freilich eine andere Frage. Aber an die Pforte zu kommen, kann ihr nicht gewehrt werden. Lassen wir sie daher ganz ungehindert fortwandeln und tun nichts dergleichen, als ob wir sie bemerkten. Wird sie sich dann etwa an uns machen, nun, so werden wir ihr schon etwas zu erzählen wissen, was sie sicher nicht gerne hören wird. Nur aber dürfen wir gegen sie weder freundlich und noch weniger wie richterlich diktatorisch uns benehmen – sondern so ganz gleichgültig, was sie am wenigsten vertragen kann, da werden wir ihrer am ersten loswerden. Denn ich glaube, sie so ziemlich durch und durch zu kennen.“

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