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Robert Blum

Auflösung des Rätsels. Gefangene der Materie. Wie sollen sie erlöst werden? Vorschlag des Franziskaners.

(Am 23. Dez. 1849)

[2.152.1] Rede Ich: „Siehe, das erläutert dir das Gefühl deines eigenen Lebens, dem Ruhe und Bewegung zu gleichen Teilen beigegeben ist! Du kannst natürlich gehen und stehen, sitzen oder gar liegen. So du lange irgend herumgegangen und dadurch etwas müde geworden bist, was für ein Bedürfnis empfindet dann dein Leben?“ – (Antwort: „Nach Ruhe!“) – „Gut, sage Ich dir, und du suchst dann auch Ruhe und nimmst dir dieselbe. So du aber vollends wieder ausgeruht hast und siehst muntere Bewegung um dich herum, als – eine Herde muntere Lämmer, ihre lebensfrohen Hirten, die Vöglein von Ast zu Ast durch die bewegte reine Luft schlüpfen, einen Bach ganz rasch durch die Flure dahinrauschen und dergleichen mehreres – sage Mir, welch ein Bedürfnis fängt dann dein durch die Ruhe neu gestärktes Leben wieder zu empfinden an?“ – (Antwort: „Oh, nach Bewegung, nach viel Bewegung!“)

[2.152.2] „Wieder gut! Da du nun dieses fasst, so wird es dir ja doch auch andererseits aus dieser Inschrift klar sein müssen, dass sowohl die Ruhe wie die Bewegung an und für sich nichts sind, als bloß nur abwechselnde Bedürfnisse jedes Seins und Lebens. Dinge, die notwendig gerichtet sind, müssen freilich sich entweder in einer ununterbrochenen Ruhe oder in einer unausgesetzten Bewegung befinden. Aber Wesen, die ein freies Leben in sich bergen, haben Ruhe und Bewegung unter einem Dach zum freien Gebrauch anheimgestellt. Daher die Bitte: ‚Herr, gib der Ruhe eine wahre Ruhe und der Bewegung eine wahre Bewegung‘ nichts anderes besagt als: ‚Herr, gib uns die Ruhe und die Bewegung frei und halte uns nicht mehr im Gericht!‘ Oder noch deutlicher gesagt: ‚Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Übel des Gerichtes!‘ – Sage Mir, hast du das nun wohl doch verstanden? Oder ist dir etwa auch da noch kein Licht aufgegangen?“

[2.152.3] Spricht der Franziskaner: „Ja, Herr und Vater, das ist mir nun ganz klar! Aber wer sind denn die, welche da unten ruhen und aus deren lang gefühltem Bedürfnis solch eine Inschrift sich hier beschaulich vor unsere Augen stellt? Wer sind sie, die hier nach Erlösung dürsten?“

[2.152.4] Rede Ich: „Höre! Alle, die von der Materie gefangen sind, ruhen unter diesen Denkmälern, die ihnen das notwendige Gericht über alle Materie gesetzt hat, zum ewigen Gedächtnis Meiner urgöttlichen Weisheit, Macht und Stärke.

[2.152.5] Deine Seele ging ebenfalls aus einem solchen Grab hervor und wurde gelegt in ein anderes Grab, bereitet aus Blut und Fleisch. In diesem Grab spann sie sich wie eine Seidenraupe wieder in eine leichtere und eines sich fortentwickelnden Naturlebens fähige Materie, die sie nach ihrer eigenen Form modulierte und ausbildete. So ihr die Form gelang, da hatte sie dann eine größere Freude an der Form, denn an sich selbst, und hing sich ganz an die tote Form des Fleisches.

[2.152.6] Das Fleisch aber ist wie alle Materie tot in sich selbst. So denn die Seele mit der Materie eins wird, wie soll sie dann ungerichtet bleiben, so ihre materielle Form wie alle Materie in ihr selbst notwendig dem unvermeidlichen Gericht anheimfallen muss!? In die Seele ist zwar wohl ein neuer Geist gelegt, mit dem die eigentliche Seele alles aufbieten soll, mit ihm eins zu werden. Aber so die Seele nur alles aufbietet, mit ihrer Materie eins zu werden – wie soll dann der Geist in der Seele ein Herr seines Hauses werden?

[2.152.7] Ich sage es dir: Da wird der Geist selbst in die Materie begraben! Und hier siehst du solche begrabenen Geister in einer Unzahl! Jedes Grab birgt seinen eigenen. Und dessen Worte sind es, die du hier gelesen hast auf der schwarzen ovalen Tafel und sie ferner noch lesen kannst auf zahllosen anderen Tafeln. Aber der noch lebendige Geist ächzt und seufzt aus seinem harten Grab um Erlösung. Und da sage du Mir und bezeuge es, was wir hier machen sollen!“

[2.152.8] Spricht der Franziskaner: „Herr, wenn so – da wird niemand, der nur einen Funken Liebe in seinem Herzen trägt, um eine rechte Antwort auch nur eine Sekunde verlegen sein können. Man helfe ihnen, so man helfen kann, will und mag! Und man helfe ihnen bald, so es möglich, denn eine Hilfe nach einem Verlauf von einer Ewigkeit dürfte wohl kaum eine Hilfe genannt werden können. Sie sollen hervorgehen aus ihren Gräbern, samt der Materie. Die Materie lassen wir wie durch einen chemischen Dampfapparat sich verflüchtigen, und das rein Geistige soll dann frei werden.

[2.152.9] Dass die Menschen nun auf der Welt zumeist schlecht und somit gröbst materiell werden, kann ihnen mein Herz durchaus zu keiner besonderen Sünde rechnen. Denn man betrachte nur ihre physische Stellung, ihre unverschuldete Armut, dann in der moralischen Beziehung ihre totale Erziehungslosigkeit, die meist Folge der zu großen allgemeinen physischen Verarmung ist, die wieder rein aus den ehernen Herzen der reichen Geizhälse folgt – und man richte dann einen armen, aller Not und Verzweiflung preisgegebenen Dieb, eine Hure, die monatelang Dienst suchte und keinen fand; und fand sie schon einen, so war er sicher schlechter als die Hölle selbst. Bei vielen Dienstgebern werden arme Dienstmädchen zufolge eines zu schlechten Lohnes zu Huren, damit sie sich durch solche Nebenverdienste ihre physische Lage doch ein wenig verbessern. Denn von einer Moral und höheren geistigen Bildung kann da keine Rede sein, wo der bei Weitem größere Teil der Menschen mit dem besten Gewissen von der Welt sagen kann: ‚Es gibt des Sandes viel an den Ufern des Meeres; aber von uns kann niemand rechtlichermaßen sagen: Siehe, diese Handvoll ist mein, denn so ich ihn mir eigenmächtig nehme, da bin ich ein Sanddieb.‘ Die Erde gehört noch immer à la adamisch und evaisch nur Einzelnen; alle anderen Millionen aber sind hart gehaltene Knechte, Sklaven, Lasttiere und dergleichen Elendes mehr, was man nur haben will, und sind somit auch notgedrungen auf der Welt schon sozusagen rein des Teufels. Es gibt wohl hie und da noch Staaten auf der Welt, wo man zur Hintanhaltung zu großer Not wenigstens für den physischen Bedarf der armen Menschheit etwas tut. Aber für die Bildung des Geistes, Herr, da geschieht für die Armen nichts, außer dass sie genötigt werden, in eine sogenannte Kirche an Sonn- und Feiertagen in den lateinischen oder chinesischen Gottesdienst zu gehen und sich im Winter nicht selten Füße und Hände zu erfrieren und noch andere Krankheiten abzuholen!

[2.152.10] Wenn nun die meisten Menschen auf diese Art, wie sie auf der Erde nun allgemein ist (denn eine Schwalbe hie und da macht noch keinen Sommer), schlecht werden in jeder Hinsicht, wenn sie zu morden, rauben und plündern anfangen, wenn sie sich gegen alles Gesetz empören, ja sogar zu scheußlichen Gottesverächtern oder Gottesleugnern werden – wer kann es ihnen im Ernst verargen, so er diese und noch viele andere, die Menschheit von Gott ablenkenden und sich stets schlechter und schlechter machenden Umstände genau erwägt! Ich nicht, wahrlich, bei Deinem heiligsten Namen nicht! Darum helfen, aber wahrhaft helfen, zuerst physisch und dann erst moralisch – dann wird es mit der Erde bald besser aussehen, als es nun aussieht.

[2.152.11] Die Erde ist nun eine barste Hölle für die Menschheit. Man mache sie wenigstens zu einem Viertel-Paradies, und die Menschen werden Gott wieder anerkennen. Denn in der Hölle tut sich's mit dem Studium der Theosophie und höheren Moral auf keinen Fall mehr; dessen bin ich vollkommen überzeugt. Also helfen, wo zu helfen ist, aber ganz helfen! Und dann heraus mit allen, die in den Gräbern schmachten! Das ist und bleibe für ewig mein lebendigster Wahlspruch!“

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