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Die geistige Sonne

(Am 12. Dezember 1843 von 4 1/4 – 5 1/2 Uhr Abends.)

[2.124.1] Wenn ihr im Evangelio nachleset, so werdet ihr mit leichter Mühe finden, unter was für allgemeinen Bildern Ich Selbst das Himmelreich dargestellt habe. – Unter den Gleichnissen findet sich das Senfkörnlein vor; dieses Gleichniß ist eben auch dasjenige, welches nun am allermeisten hierher taugt. Klein ist dieses Korn; wer sieht in ihm die baumartig große Pflanze? – Doch trägt dieses Senfkörnlein eine ganze Unendlichkeit seines Gleichen in sich; zahllose ganz gleiche Senfkörnlein können aus dem Einen hervorgehen. Säet zahllose solche Senfkörnlein in das Erdreich, und ihr werdet wohl lauter gleiche Pflanzen daraus bekommen. Aber was die gewisse Symetrie der Form betrifft, da wird nicht ein Stamm dem andern gleichen, so wenig, als ihr auf einem und demselben Baume im Stande seid, zwei vollkommen gleich symetrische Blätter zu treffen.

[2.124.2] Wer dieses Beispiel von diesem Gesichtspunkte faßt, der wird daraus doch sicher den Schluß ziehen und sagen: An der symetrischen Form, welche man eine bleibende oder konstante nennen könnte, liegt nichts; denn ob ein Blatt auf diesem oder jenem Punkte des Stammes oder eines Astes und Zweiges hervorkommt, ob es etwas größer oder kleiner, oder ob der Stamm selbst höher oder niederer dem Boden entwächst, mehr oder weniger Aeste und Zweige schießt, und diese allzeit noch in einer anderen Ordnung, so macht das Alles nichts, wenn nur der Stoff der Pflanze und deren Brauchbarkeit eine und dieselbe bleibt.

[2.124.3] Sehet, das ist im Grunde nichts Anderes, als so Ich euch sage: An der Form oder an dem Erscheinlichen der Geisterwelt liegt an und für sich gar nichts, wenn nur alle diese endlos verschiedenen Formen und Erscheinungen eine und dieselbe Wahrheit und einen und denselben Zweck zum Grunde haben.

[2.124.4] Und so trägt denn ein jeder Mensch ein anderes Samenkorn für die Entwicklung der geistigen Welt in sich, welches in ihm aufgeht, endlich zu einem Baume wird, welcher da ist die Form der inneren Welt.

[2.124.5] Wenn ihr verschiedene Samenkörner in die Erde streuet, und das in eine und dieselbe Erde; meint ihr wohl, daß daraus ganz gleiche Gewächse zum Vorschein kommen sollen? – Oder daß selbst aus einem und demselben Samenkorne ein vollkommen gleiches Gewächs hervorwachse, so eben dasselbe Samenkorn mehrfach in die Erde gelegt wird? – O mit nichten, überall etwas Anderes, und bei gleichartigem Samen wenigstens ein anderes Bild.

[2.124.6] Aber alles Dessen ungeachtet bleibt sich der Grundstoff gleich; und ihr könnt auf euerem chemischen Wege alle Materie zerlegen, wie ihr nur immer wollt und könnt, und dennoch werdet ihr bei der letztmöglichen Zerlegung auf nichts, als zwei Urgrundstoffe kommen, nämlich auf den euch wohlbekannten sehr flüchtigen Kohlenstoff und den zusammenziehenden Sauerstoff.

[2.124.7] Sehet, das ist wieder gleich der Grundwahrheit und dem Hauptzweck aller Formenerscheinlichkeit im Reiche der Geister.

[2.124.8] Ueberall ist nur ein Gott, ein Vater, eine Liebe, eine Weisheit; und aus ihr geht hervor das Unendliche, wie das Ewige!

[2.124.9] Beschaut das Gewölk, das tagtäglich über euerer Erde Boden in der Luft dahin zieht; habt ihr je schon eine beständige Form an selbem entdeckt? – Wenn es am Morgen also steht, werdet ihr es am Abende gleich also erblicken? – Oder am nächsten Tage, oder in einem nächsten Jahre?

[2.124.10] Endlos verschieden verändern sich die Formlinien des Gewölkes; nimmer erblicket ihr ganz dieselben wieder, die ihr schon geschaut habt. Beirrt euch aber das in euerem Dasein? – Sicher mit nichten; denn es mag die Wolke unter was immer für einer Form in der Luft dahin schweben, sie bleibt deßwegen doch nur eine Wolke, als nur eine Wahrheit, und ihr Zweck ist, den Regen zu geben, und das ebenfalls in einer und derselben Art, wenn alle Bedingungen ordnungsmäßig vorhanden sind, die zur Erzeugung des Regens vonnöthen sind.

[2.124.11] Und so liegt hier wieder nichts an der Form, sondern einzig und allein nur am Grunde und am Zwecke Alles.

[2.124.12] Ueberhaupt, was das erscheinliche Wesen betrifft, so ist dessen stets andere Form nur zur Weckung des Geistes da, der darin sein Wonnegefühl findet; – denn unter einem ewigen vollkommenen Einerlei würde Alles in einen ewigen Schlaf dahin sinken.

[2.124.13] Nur aber muß der Mensch sein Heil und seine Seligkeit nicht in der Form, sondern in der Realität und in der Wirklichkeit suchen. Was die Form betrifft, so habe Ich für ihren ewigen, stets neu reizenden Formenwechsel schon von Ewigkeit her gesorgt; – und es gilt auch dafür der Grundtext aus dem Evangelio:

[2.124.14] „Suchet nur vor Allem das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; alles Andere wird Euch hinzu gegeben werden.“

[2.124.15] Fraget daher nicht Diesen oder Jenen: Wie sieht der Himmel aus, und wie die Geisterwelt? Denn alles das ist eitel! – Sondern suchet jegliches Wort von Mir in euch lebendig zu machen durch die Werke der Liebe; und ihr habt dann schon in euch den Himmel lebendig, und Alles, was der Geisterwelt ist.

[2.124.16] Denn es wird nie Jemand in einen Himmel kommen, der da also aussehen möchte, wie er ihn so oder so beschrieben in sein Gedächtniß und in sein Vorstellungsvermögen aufgenommen hat, indem ein Jeder den eigenen Himmel und die eigene Geisterwelt in sich trägt, davon die Form sich allzeit richten wird nach der Art der Liebe, die in ihm ist, und nach den Werken, die aus ihr hervorgegangen sind.

[2.124.17] Wenn aber Jemand einem Fremden möchte die Gestalt eines Apfelbaumes dadurch vollkommen erkenntlich machen, daß er zu ihm spräche: Siehe, da vor uns steht ein Apfelbaum; merke dir genau die Höhe und Dicke des Stammes, genau die Lage seiner Aeste und Zweige und ebenso die Blätter und die Rinde, und du wirst jeden Apfelbaum erkennen, der dieser Form vollkommen entspricht. – Der also Unterrichtete zeichnet sich die Form des Baumes genau auf, und geht damit in einen großen Baumgarten, der nahe aus lauter Apfelbäumen besteht. Er paßt seine aufgezeichnete Form überall an; da er aber dieselbe also vollkommen nicht wieder findet, so existirt für ihn in diesem Baumgarten kein Apfelbaum.

[2.124.18] Also soll sich da Niemand in irgend einer Erscheinlichkeit begründen; denn da wird er allzeit hohl ausgehen. – Wenn er aber die Sache im Geiste der Wahrheit nimmt, so wird er unter einer jeden Form die Wahrheit finden, und den Weg und das Leben!

[2.124.19] Diese Sache ist von großer Wichtigkeit; daher soll all’ dieses Gegebene Jedermann wohl überdenken und es genau prüfen in sich, damit er zufolge dieser Prüfung der Weisheit wahren Grundstein finden möchte! – Also heißt es, und wird es sein ewig wahr und gut. – Zur näheren Beleuchtung alles Dessen nächstens der Beispiele mehr!

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