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Die geistige Sonne

[2.1.5] Der Herr spricht: Mein lieber Sohn, Freund und Bruder! Du hast eben nicht so fälschlich gerathen; denn in solchen Städten, deren Zahl längs dieses ewig weit gedehnten Stromes kein Ende hat, pflege Ich nicht selten bei gewissen Gelegenheiten Mich einzufinden; aber so ganz eigentlich zu Hause bin Ich da mit nichten, außer in der Sonne, die du ersiehst, durch welche Ich wohl in allen Himmeln gleicher Weise zu Hause bin! – Daher magst Du weiter rathen.

[2.1.6] Der Prior spricht: So wirst Du, o Herr und liebevollster Vater, vielleicht wohl in einem oder dem andern jener großen Wunderpaläste zu Hause sein also sichtbar, wie jetzt; denn Du hast ja Selbst von einem großen Hause in den Himmeln gesprochen, darinnen viele Wohnungen seien. Da aber in einem solchen nahe unübersehbar großen Palaste doch auch sicher sehr viele Wohnungen sein werden, so könntest Du wohl etwa in einem allergrößten unter den endlos vielen zu Hause sein?

[2.1.7] Der Herr spricht: Ich sage dir, Mein lieber Sohn, Bruder und Freund! Auch hier hast du die Sache eben nicht gar zu fälschlich berathen; denn fürwahr, wie in den Städten, also pflege Ich Mich auch bei großen Gelegenheiten in diesen großen Wohnhäusern persönlich wesenhaft einzufinden, aber für beständig und für eigenthümlich bin Ich auch in diesen großen Wohnhäusern nicht anders wie in den Städten gegenwärtig; daher magst du dich noch einmal berathen.

[2.1.8] Der Prior spricht: O heiliger, liebevollster Vater! Mir geht jetzt ein Licht auf, indem Du dich stets auf der Welt nur den Kleinen und Unbedeutenden also liebevollst und zutraulich genähert hast, so wirst Du vielleicht auch hier dort eine Wohnung haben, da auf jenen Hügeln uns kleine niedliche Wohnhäuser gar so gastfreundlich anlächeln. Da aber diese kleinen Wohnhäuser alle sich völlig gleichen, so dürfte es mir wohl schwer fallen, aus den Vielen das eigentlich rechte zu bestimmen; und das nächste beste zu nehmen, das käme mir vor Dir, o Herr, Deiner etwas unachtsam und unwürdig vor.

[2.1.9] Der Herr spricht: Mein Sohn, Bruder und Freund! Hier hat dein „Vielleicht“ eingeschlagen; denn siehe, da kannst du wählen, das welche du willst, und es wird schon das rechte sein. – Weißt du aber, daß du Mich auf der Erde vielleicht einmal getragen hast? – Möchtest du Mir nun nicht auch rathen, wie, wann und wo?

[2.1.10] Der Prior spricht: O Herr! ich kann mich auf dieses „Vielleicht“ erinnern, und harre nun mit großer, seligster Sehnsucht der Enthüllung desselben. Bezüglich der Tragung Deines allerheiligstens Wesens auf der Erde von mir wird wohl sicher nichts Anderes verstanden sein können, als daß ich dich unter den Gestalten des Brodes und Weines in Meinen Händen getragen habe. Hier kommt’s mir vor, als wären die drei Bedingungen: „wie“, „wann“ und „wo“ erschaulich sicher; – sonst wüßte ich wahrhaftig nichts bezüglich Deiner Tragung Würdiges hervorzubringen.

[2.1.11] Der Herr spricht: Mein lieber Sohn, Bruder und Freund, sieh hin auf die Stadt und auf den Strom! Das stellt vor die Gestalt des Brodes und des Weines; – wie Ich in der Stadt zu Hause bin in Meiner urwesentlichen Eigenthümlichkeit, also in dem Brode und Weine. Siehe, also hat es da mit der Tragung ein Häkchen und du hast den Sinn der Frage nicht getragen, und du wirst daher schon müssen das „Wie, wann und wo“ auf einen andern Punkt hinwenden.

[2.1.12] Der Prior spricht: O Herr und liebevollster heiliger Vater! wenn ich mich da geirrt habe, so weiß ich wahrhaftig nichts Anderes, als wenn ich mir denke, Du warst in Deinem heiligen Geiste, wann ich in Deinem Namen zum Volke geprediget und Dein Wort geredet habe, in meinem Munde und auf meiner Zunge; denn Dein Wort ist ja doch sicher Deine allerreinste Wohnung nach dem Zeugnisse Johannis!

[2.1.13] Der Herr spricht: Mein lieber Sohn, Bruder und Freund, sieh’ hin auf die herrlichen Paläste! Siehe, diese sind voll Klarheit, voll Lichtes und voll Lebens aus Mir! – Aber wie Ich eben auch urwesentlich eigentlich in diesen Palästen zu Hause bin, also auch hast du Mich getragen mit deinem Munde und mit deiner Zunge. – Du hast aber gesehen, daß Ich allda nicht urwesentlich eigenthümlich zu Hause bin; also wird es auch da mit deiner Tragung ein Häkchen haben. Und es stellt sich heraus, daß du Mich weder über Band noch über Arm getragen hast; über Band als Freund und Nachfolger Meiner ersten Jünger, über Arm als Bruder, als der Kundgeber und Verkünder Meines Wortes. – Daher kannst du dich auch hier über das „Wie, wann und wo“ noch einmal deutlicher ausdrücken.

[2.1.14] Der Prior spricht: O Herr und liebevollster, heiliger Vater! ich ahne Größeres, und kaum getraue ich mir es auszusprechen. Es wird doch nicht etwa sein, als ich Dich als Knabe noch in meinem Herzen so herzinniglich liebte, daß ich darob oft vor Liebe in Thränen zerfloß, oder vielleicht auch in meinem Amte, da ich ebenfalls heimlicher Weise eine so mächtige Liebe zu Dir empfand, welche mich nicht selten vor lauter Entzückung förmlich krank machte, oder vielleicht in jenen Momenten, wo ich beim Anblicke meiner armen Brüder zu Thränen gerührt wurde, und ihnen auch mit Deiner Gnade, so viel es mir möglich war, helfend beisprang. – Habe ich Dich etwa einmal in einem solchen Zustande getragen, da wüßte ich aber dennoch nicht, derwelche aus allen diesen derjenige wäre, da Du Dich, o heiliger Vater, so tief herabgewürdiget, daß Du Dich hättest tragen lassen von mir.

[2.1.15] Der Herr spricht: Mein lieber Sohn, Bruder und Freund! Sieh’ hin nach den kleinen Wohnungen des Morgens; wie dort, so hier. Wohin du greifest, da greifst du auf den rechten Ort hin; – und siehe hier ist das „Wie, wann und wo“ in Eins vereint. Wie trugst du Mich? – Siehe, allzeit in deiner Liebe zu Mir! – Wann trugst du Mich? – Siehe, allzeit in deiner Liebe zu Mir! – Wo trugst du Mich? – Siehe, überall und allzeit in deiner Liebe zu Mir; du trugst Mich somit allzeit im Herzen!

[2.1.16] Wer Mich aber im Herzen trägt, der trägt Mich auch über Band und Arm; – wie aber im Arme und im Bande keine tragende Kraft ist, wenn sie nicht zuvor ausgeht vom Herzen, so kann Mich auch Niemand über Band und Arm tragen, wer Mich nicht trägt zuvor im Herzen. – Also ist demnach das „Vielleicht“ vor dir enthüllt; denn ungewiß war es dir, wie, wann und wo du Mich trugst.

[2.1.17] Nun aber ist das „Wie wann und wo“ in Eins geschmolzen, und aus dem Freunde und Bruder ist ein Sohn geworden; darum sage Ich denn nun auch zu dir nicht mehr: Mein Freund, Bruder und Sohn, sondern allein: Mein geliebter und liebeerfüllter Sohn, folge Mir nun weiter auf jene Höhe zu den Wohnungen; allda wollen wir unter einem Dache beisammen wohnen und wirken ewiglich, Amen!

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