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Der Großglockner

Der Großglockner als Gebirgs- und Landesvater. Über den großen Wert der Gletscher. Der natürliche Wasserhaushalt

Am 13. April 1842

[1.1] Es deucht euch wunderbar das wohlgelungene Bild, wie da majestätisch ein König der Berge, der Großglockner genannt, aus der Mitte seiner Brüder kühn sein Haupt erhebt und schaut gewisserart nach allen Seiten hin, wo seine Kinder, von ihm auslaufend, sich befinden. Aber noch wunderbarer wird es euch bedünken, wenn Ich euch in guter Ordnung bei seinen kleinsten Abkömmlingen angefangen, erst also bis zu ihm hinführen werde.

[1.2] Es wird euch freilich wohl ein wenig wundernehmen, wenn Ich dartue, dass eure Steiermark auch nicht einen Hügel diesseits des Flusses Drave (Drau) besitzt, der da nicht ein Abstämmling dieses Gebirgsvaters wäre; aber das tut nichts zur Sache – am Ende wird sich’s dann bei der Summierung aller Wahrheiten wohl zeigen, wie viele Fehlhiebe wir bei dieser Darstellung werden gemacht haben.

[1.3] Und so seht denn: Wenn ihr z. B. den Schloßberg zu Graz besteigt, oder den sogenannten Rosenberg, oder den Plabutsch, oder den Buchkogel, oder ihr verfügt euch ganz hinab in die letzten Ausläufer der windischen Bühel, da sage Ich euch: Auf allen diesen Bergen, miteingerechnet diejenigen Alpen, die ihr schon bestiegen habt, besteigt ihr immerwährend noch den Fuß des Großglockners.

[1.4] Wem solches schwer zu glauben wäre, der dürfte, um den nächsten Gebirgsweg zu haben, nur z. B. hier an dem sogenannten Buchkogel seine Reise beginnen, von dort aus aber immerwährend sich an die Gebirgsrücken halten – welche freilich nicht immerdar gleich hoch sein werden, aber dennoch immer hoch genug, um von den Tälern wohl unterschieden zu werden –, und er wird wohl auf diesem (freilich etwas beschwerlichen) Weg schon nach einer Tagesreise auf jene Alpen gelangen, welche zumeist die Steiermark vom Kärntnerland trennen, bei welcher Gelegenheit er dann nichts anderes braucht, als den mühsamen Weg über all die Alpen fortzusetzen. Und so er übrigens festen Fußes ist, da kann er darauf rechnen, dass er binnen längstens zehn Tagen schon in die sehr nahe liegenden Gegenden unseres Großglockners gelangt ist, ohne dass er nur einmal nötig hatte, über ein tiefes Tal zu gehen.

[1.5] Diese Reise wird ihn dann sicher überzeugen, dass euer Buchkogel samt seinen noch weiterhin gedehnten Ausläufern gar wohl noch mit diesem Gebirgsvater zusammenhängt. Wer jedoch solche ziemlich beschwerliche Reise nicht zu machen gedenkt, der nehme in diesem Fall nur eine gute Länderkarte zu sich, wo er freilich wohl viel bequemer dieselbe Reise unfehlbar mit seinen Fingern machen kann, und er wird sich von der Richtigkeit dieser Aussage sicher überzeugen.

[1.6] „Ja, aber“, werdet ihr sagen, „das mag wohl alles sein, denn es hängt ja der Nordpol mit dem Südpol sogar zusammen; auf diese Weise können ja wohl der Buchkogel und der Großglockner auch zusammenhängen. Aber was soll aus diesem Zusammenhang werden? Wo sieht da ein Evangelium heraus?“

[1.7] Ich aber sage: „Nur eine kleine Geduld, Meine Kindlein! Denn zwischen dem Buchkogel und dem Großglockner ist des Raumes und der anderen Dinge genug, um auf dieses Raumes Boden ein gutes Senfkörnlein auszustreuen, welches da aufgehen wird und seine Äste und Wurzeln so weit ausbreiten, als unser großer Gebirgsvater seine Arme und Kinder ausbreitet.“

[1.8] Eine Frage lässt sich hier sogleich anbringen, und zwar diese: „Liegt denn was daran, dass dort eben der Großglockner über alle Berge sein Haupt erhebt, in einem anderen Land wieder ein anderer, der noch höher ist als der Großglockner, und wieder in einem anderen Land noch ein dritter, der über alle anderen hinwegschaut?“

[1.9] Hier auf diese Frage gebe Ich eine ganz kurze Antwort und sage nichts, als dass solches im Ernst sehr notwendig ist, weil von der überragenden Höhe solcher Berge in naturmäßiger Hinsicht die ordentliche Erhaltung nicht nur derjenigen Länder, in denen sie sich befinden, sondern eines ganzen Weltteiles abhängt, wie z. B. Europa von den drei euch halbwegs bekannten Gletschern, d. h. Gletschergebirgen; Asien und Amerika von den seinen usw.

[1.10] Bei dieser Beantwortung der Frage ergibt sich schon sogleich wieder eine andere, und zwar alsogleich folgende, da ihr sagt: „Wieso denn? Wie ist das möglich?“

[1.11] Und Ich gebe euch darauf ebenfalls eine kurze Antwort, welche also lautet: „Wie das Leben des Leibes vom Kopf abhängt; denn wird dieser vom Leibrumpf genommen oder sonst stark beschädigt, so geht auch sobald das Leben des ganzen anderen Leibes unter.“

[1.12] Diese Antwort genüge euch vorderhand; denn gerade also auch ist das Verhältnis zwischen solchen Bergen zu dem übrigen Land, wie das des Kopfes ist zu dem übrigen Leib. Geht auch das Leben nicht unmittelbar vom Kopf aus, so ist aber dennoch der Kopf das Hauptaufnahmeorgan des naturmäßigen Lebens, von welchem aus dann erst dasselbe, den ganzen Leib dirigierend, in alle Teile desselben ausgeht. Der menschliche Leib hat noch viele andere Extremitäten, die er verlieren kann, ohne darum das Leben einzubüßen.

[1.13] Seht, also auch verhält es sich mit unseren höchsten Bergen. Ihr könnt zwar den ganzen Buchkogel abgraben, ja sogar über eine höhere Alpe dürft ihr euch hermachen, wenn ihr Lust und Kräfte dazu besitzt; aber wäre es jemandem möglich, sich auch über den Großglockner herzumachen und ihn zu planieren gleich dem vorher erwähnten Buchkogel oder einer anderen Alpe, so würde diese Unternehmung nicht so straflos ablaufen wie die Planierung des Buchkogels oder einer anderen bedeutenderen Höhe. Denn solche geringeren Planierungen würden nahe gar keinen fühlbaren nachteiligen Erfolg nach sich ziehen, während die Planierung des Großglockners entweder sobald eine unabsehbar weite Strecke der Länder in einen ewigen Winter oder aber wenigstens in einen weit ausgedehnten See verwandeln würde.

[1.14] Hier werdet ihr schon wieder fragen: „Wieso denn? Und wie ist dieses möglich?“

[1.15] Ein kleines Beispiel wird euch die Sache sogleich anschaulich machen.

[1.16] Seht, ihr wisst, dass vom Leib aus in den Kopf das Blut seinen Weg hat. Wenn nun der Kopf vom Leib getrennt wird, was tut da das Blut? Seht, jetzt haben wir es schon; denn ihr sagt selbst: Da wird das Blut ja sobald aus den Adern treten, sich über den Leib ergießen, wodurch dann die Adern und der ganze Leib zusammenschrumpfen werden; der Leib aber wird dadurch in den sicheren Tod übergehen.

[1.17] Also ist es auch bei einem solchen Berg der Fall, der ebenfalls ein Rezipient ist von den gewaltigsten inneren Wasserquellen der Erde. Er hält dieselben durch seine große Grundschwere darnieder und lässt nur so viel durch seine Poren davon austreten, dass dadurch das ganze Land weit und breit seine nötige Bewässerung erhält; den Überfluss dieser beständigen Ausdünstungen der inneren Gewässer aber saugt er aus der Luft selbst sorgfältigst wieder in sich; und damit es sich nicht so leichtlich wieder entferne von ihm, darum verwandelt er es in beständiges Eis und in den beständigen Schnee, aus welchem Grund er auch nur höchst selten dunst- oder wolkenlos zu erblicken ist.

[1.18] Was aber er tut, dasselbe müssen – wennschon in geringerem Verhältnis – bei Zeit und Gelegenheit auch alle seine Kinder und Kindlein tun.

[1.19] Warum sage Ich hier „seine Kinder und Kindlein“? Aus der einfachen Ursache, weil zur Zeit der Gebirgsbildung die höchsten Berge der Erde die ersten waren, die da gebildet wurden, und von ihnen aus erst dann die anderen in zusammenhängender Ordnung auf die Art und Weise, die euch schon bekannt ist. Nur müsst ihr euch dabei nicht etwa denken, heute war z. B. der Großglockner, morgen seine Kinder und übermorgen seine Kindlein gebildet, sondern zwischen diesen Bildungsprogressionen sind lange Zeitperioden vorhanden, welche sich nicht selten auf mehrere Millionen von Erdjahren erstrecken, dass darob in einem Land kaum zwei Berge vorhanden sind, die da wären gleichen Alters. Dass aber unser vorliegender Großglockner zu den urältesten Bergen der Erde gehört, könnt ihr vorerst daraus ersehen, darum er von Mir „ein Vater der Berge“ genannt wird, und fürs Zweite, weil er ein Haupt mehrerer Länder ist, und fürs Dritte bezeugt solches sein Gestein, welches da gewaltig verschieden ist von dem Gestein seiner Kinder und Kindlein.

[1.20] Wie aber all die Berge gegen ihren Vater hin an Höhe zunehmen, also nehmen sie auch zu an Alter; und je mehr ihre Scheitel sich mit beständigem Schnee und Eis schmücken, desto erhabener und bedeutungsvoller werden sie auch. Dieses müsst ihr euch gar wohl merken, denn die Folge wird es zeigen, von welcher vielseitig großen Wichtigkeit dieser Satz ist. Wir wollen uns daher in keine langen Nebendiskurse einlassen, sondern sogleich zur Hauptsache übergehen, und zwar zuerst in naturmäßiger, dann in geistiger, dann endlich in evangelischer Hinsicht.

[1.21] Es gibt gar viele Menschen, die da sagen: „Ich habe einen sanften Hügel, der mit Äckern, Wiesen, Baumgärten, Waldungen und Viehweiden belebt ist, um unvergleichbar vieles lieber denn hundert Großglockner.“

[1.22] Solche Menschen haben zwar einesteils wohl recht; denn auf dem ewigen Schnee und Eis des Großglockners lässt sich durchaus kein Weinberg anlegen – ja nicht einmal die allerletzte Pflanze, als z. B. da ist das harte Steinmoos, kommt da fort.

[1.23] Ich frage aber: Ist denn ein Berg nur nach seiner vegetabilen Fruchtbarkeit zu taxieren? Wenn es auf die Fruchtbarkeit ankommt, da ist ein jeder Berg überflüssig; denn in der Ebene arbeitet sich’s ja doch offenbar leichter denn auf was immer für einem Berg, und die Erfahrung wird euch schon gar wohl belehret haben, dass in der Ebene alles recht gut fortkommt. Sonach ist es sicher doch eine Albernheit, einen Berg nach seiner Fruchtbarkeit zu taxieren, denn die Fruchtbarkeit der Berge ist nicht die Bedingung ihres Daseins, sondern diese dreht sich um eine ganz andere Achse. Sonach werden diejenigen wohl ihr Wort zurücknehmen müssen, welche einen fruchtbaren Hügel höher schätzen als einen unfruchtbaren hohen Gletscher, und werden sich müssen gefallen lassen, wenn Ich sage: Eine Quadratklafter vom Eis des Großglockners ist an und für sich mehr wert als eine Quadratmeile voll der fruchtbarsten Hügel.

[1.24] Hier werdet ihr schon wieder fragen: „Wieso denn? Wie ist das möglich?“

[1.25] Ich aber sage euch: Wenn es nur auf den gewissen Erwerbsertrag ankommt, da könnt ihr euch mit den Augen eures Kopfes, für sich allein genommen, sicher nicht einen Heller verdienen; wohl aber mit euren Händen und Füßen! Ist aber darum das Auge nicht mehr wert denn die Hände und die Füße, welche ihr ohne das Licht des Auges schwerlich gebrauchen würdet? Und doch ist die Pupille des Auges gar klein im Verhältnis zu dem Maß der Hände und Füße! Und müsst ihr nicht zuvor ein jedes Ding mit dem Auge ergreifen, das ihr mit der Hand ergreifen wollt, und so auch mit dem Auge den Füßen allzeit vortreten?

[1.26] Wenn ihr nun dieses beachtet, so wird euch wohl ersichtlich werden, warum Ich eine Quadratklafter des eisigen Großglocknergrundes höher ansetze als eine ganze Quadratmeile des fruchtbarsten Hügellandes; denn so wie ihr ohne das Auge wenig Früchte tragen würdet an den Händen und Füßen, so auch würden die Ebenen und Kleinhügelländereien gar spottwenig Früchte tragen ohne den ewigen Schnee und das Eis der Gletscher. Und in dieser Hinsicht dürfte dann wohl so mancher wohlhabende und gesegnete Landmann eine Reise nach dem Großglockner machen und daselbst in Meinem Namen sein Eis küssen; denn es hängt von der kussgroßen Fläche des Eises am Großglockner die ganze Fruchtbarkeit seines Grundes ab.

[1.27] Möchtet ihr hier denn nicht schon wieder fragen: „Wieso denn? Wie ist das möglich?“ – Nur eine kleine Geduld; es wird gleich kommen.

[1.28] Ihr wisst, dass sich nach dem alten Sprichwort Gleiches mit Gleichem gern vergesellschaftet. Wenn ihr in euren Zimmern irgendeinen feuchten Stein in der Mauer habt, so wird dieser Stein nicht so leicht trocken werden, sondern wird vielmehr Feuchtigkeit von allen Seiten noch an sich ziehen und sonach seinen Feuchtigkeitsüberfluss der andern ihn umgebenden Mauer mitteilen und wird somit einen großen feuchten Fleck in eurem Zimmer bewirken.

[1.29] Seht, also verhält es sich auch schon wieder mit unserem Großglockner! Er ist ebenfalls ein sehr großer feuchter Stein in den weit ausgedehnten Ländereien eines Erdteils und zieht dadurch von weit und breit her die in der Luft überflüssig schwebenden Feuchtigkeiten an sich. Wenn aber diese Feuchtigkeiten in tropfbarem Zustand blieben an seinen Steinwänden, so würden sie dann auch sobald wieder in großen Strömen diesem Riesenstein entweichen und viele Ländereien um ihn herum verheeren. Damit aber solches nicht geschieht, so macht er durch seine Höhe und Gesteinseigentümlichkeit, dass die in sich gesogenen Feuchtigkeiten sobald zu Schnee, Hagel und Eis werden.

[1.30] Aber hier werdet ihr sagen: „Wenn das wirklich also ist und geschieht, so muss er dadurch mit der Zeit ja über ganz Europa hinauswachsen!“

[1.31] O ja, das würde auch sicher der Fall sein, wenn er keine Kinder und Kindlein hätte. Aber diese Kinder entbürden dann zuerst ihren Vater, und zwar auf diese Art: Wenn seine Eis- und Schneelast von oben und außen hinzuwächst, da werden die unteren Teile oder die unteren und alten Schnee- und Eismassen eben auch stets mehr gedrückt und gequetscht, wodurch dann diese Wasser- und Luftteile durch solchen Druck sich in zahllosen kleinen Partien entzünden, sich dann wieder in nebelige Dünste auflösen und diesem ihrem Gefängnisort entsteigen. Und da ein solcher Gletscher seine vorzügliche Anziehungskraft nur in seinen höchsten Regionen hat, so würden diese aus seinen niederen und unteren Regionen entwichenen Dünste sich da entweder als tropfbare Flüssigkeit stromweise in die tiefer liegenden Ebenen, alles zerstörend, ergießen, oder sie würden wenigstens auf den höheren Punkten sich dem Schnee und Eis anschließen und dasselbe also fort und fort ausdehnen und mehren, dass da in einem Jahrtausend ganze Ländereien von ihnen begraben würden.

[1.32] Aber damit weder das eine noch das andere geschieht, so sind einem solchen Gebirgslandesvater auch eine unübersehbare Menge Kinder an die Seite gestellt, welche gar begierig die Überbürdung ihres Vaters über sich nehmen; und was ihnen selbst noch zu viel wird, da hocken um sie herum schon wieder eine Menge Kindlein, welche den Überfluss gar begierig an sich nehmen. Und was denen auch noch zu viel zu tragen wird, damit erst segnen sie das ganze andere weitgedehnte Flachland.

[1.33] Und so ihr dieses nur einigermaßen begreift, da werdet ihr es auch leicht einsehen, warum sich von einem solch hohen Berg so weitgedehnte, zusammenhängende Bergketten nach allen Richtungen hin fast strahlenartig erstrecken, und es wird euch auch nicht eben zu lächerlich klingen, wenn Ich euch sage, dass ihr selbst aus euren Hausbrunnen noch Großglocknerwasser trinkt und dass es in eurem Land gar spottwenig Quellen geben wird, die ursprünglich ihr fruchtbares Dasein nicht diesem Gebirgslandesvater verdanken möchten.

[1.34] „Ja, aber“, werdet ihr sagen, „was ist denn hernach das Regenwasser?“

[1.35] Und Ich sage euch darauf, dass in eurem Land selten ein Tropfen anderen Regens den Wolken entfällt als solcher nur, der vom Großglockner und seinen weitgedehnten Kindern über dieses Land ausgesendet wurde; und ihr würdet eben nicht gar zu gefehlt sprechen, so ihr da sagen möchtet: „Der Großglockner regnet über unser Land.“

[1.36] Warum denn? – Weil er drei verschiedene, weitausgehende, kräftig wirkende Arme besitzt, wovon der eine sich in seinen Kindern und Kindlein nach allen Richtungen weit ausbreitet, der zweite in all den Quellen, Bächen, Flüssen und Strömen, der oft noch weiter geht als seine Kinder und Kindlein, – der dritte, am weitesten ausgehende Arm aber besteht in der Wolkenregion, welche eben am Großglockner für mehrere Länder ihren Zentralpunkt und an den vielen weit und breit ausgestreuten Kindern sorgliche Wächter und untergeordnete Ruhepunkte hat, da sie sich wieder ansammelt in stets mehr und mehr dunstigen Massen. Und wenn diese Massen z. B. auf der Choralpe zu dicht angehäuft werden, dann hat auch eine solche Alpe wieder untergeordnete Kindlein, welche ihrer Mutter gar begierig einen großen Teil ihrer Bürde abnehmen – bei welcher Gelegenheit dann dieser dritte Arm des Großglockners gewöhnlich sich in einem wohltätigen Regen ergießend, der armen Pflanzen- und Tierwelt der Ebenen sorglich unter die schwachen Arme greift und ihr eine wohlschmeckende Mahlzeit bereitet.

[1.37] Aber das ist nur eine naturmäßig nützliche Verrichtung und Bestimmung dieses Gebirgslandesvaters.

[1.38] Es stecken nebst dieser aber noch zwei andere und viel wichtigere im Hintergrund, welche wir in der Folge dieser Mitteilung erst werden kennenlernen. Und wenn ihr erst diese werdet kennenlernen, so werdet ihr auch stets einen vorteilhafteren Begriff von der großen Nützlichkeit eines solchen totscheinenden Gebirgsriesen in euch lebendig erschauen. Denn wahrlich sage Ich euch: Auf der Welt verhält sich alles verkehrt! Wo ihr viel Lebendigkeit seht auf der Erde, da ist auch ebenso viel des Todes; wo ihr aber glaubt, es sei alles in einen ewigen Tod versunken, da herrscht zumeist des Lebens größte Fülle und eine unberechenbar eifrigste Tätigkeit desselben.

[1.39] Aus diesem Grund waren zumeist alle Propheten und Seher auf den Bergen zu Hause. Und Ich Selbst, da Ich als Mensch auf der Erde war, hielt Mich vorzugsweise gern auf den Bergen auf: Auf dem Berg gab Ich dem Versucher den ewigen Abschied; auf einem Berg speiste Ich so viele Hungrige; auf dem Berg gab Ich in Meinem Wort den ganzen Himmel preis; auf einem Berg zeigte Ich Mich als das urewige Leben verklärt den drei euch Bekannten; auf einem Berg betete Ich, und auf einem Berg wurde Ich gekreuzigt.

[1.40] Darum achtet die Berge! Denn wahrlich, je höher sie ihre Scheitel über die Schlammtiefe des menschlichen Eigennutzes erheben, desto geheiligter auch sind sie und desto segnender das ganze andere Land.

[1.41] Wie solches [zugeht], haben wir schon zum Teil gehört; die Folge aber wird euch erst alles dieses ins klarste Licht stellen. Und so lassen wir es heute bei dem bewendet sein.

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