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Großes Evangelium Johannes

[6.224.7] Weil aber alle diese Propheten gestorben sind und nach ihrem Tode kein Mensch mehr von ihnen etwas erfahren konnte, so fingen die Menschen nach und nach an, stets mehr und mehr daran zu zweifeln, daß es nach des Leibes Tode noch ein Fortleben der Seele gibt, und sie schafften sich endlich selbst eine bequemere Lebensnorm, als jene war, welche die Propheten eingeführt und angeordnet hatten.

[6.224.8] Wenn dann auch wieder ein Prophet im Volke aufstand und angab, daß Gott durch ihn rede, so ward man nur ärgerlich über solch einen und sagte zu ihm: ,Erweise dich zuvor als ein Unsterblicher gleich dem Elias!‘ oder ,Berufe die schon lange verstorbenen Väter und Propheten, daß wir sie sehen und sie uns ein lebendiges Zeugnis geben – erstens, daß es wahrhaft ein Leben nach dem Tode gibt und wie, und zweitens, daß du ein wahrer Prophet bist! Kannst du uns diesen Beweis nicht geben, so glauben wir dir sowenig, als wir jetzt und fürder den alten Propheten geglaubt haben und je glauben werden; denn sie sind gestorben, so wie auch du sterben wirst, und niemand hat nach ihrem Tode je mehr etwas von ihnen erfahren. Wir haben wohl ihre Schriften aufbewahrt, aber sie verschlang der nie zu sättigende Erdboden. Was nützen uns aber ihre Schriften voll Lehren vom ewigen Leben, wenn sie als Lehrer nach ihrem Tode uns nicht den sichersten Beweis liefern können, daß ihre Lehren Wahrheit sind?!‘

[6.224.9] Siehe, Herr und Meister, so haben mit der Zeit die Menschen zu denken und auch zu handeln angefangen und haben die Propheten auch getötet, so diese gewöhnlich nicht nachließen, ihnen allerlei Strafen Gottes zu verkünden! Warum ist denn das nicht zugelassen, daß ein verstorbener Prophet zuzeiten wieder auf diese Erde kommt und mit seinem Erscheinen von dem Zeugnis gibt, was er im Fleische auf der Welt gelehrt hat? Und warum wird der Unglaube der Menschen stets ihnen zur Schuld gerechnet?

[6.224.10] Wenn nur ein Mal jemand käme – freilich wohl auf eine Weise, daß man ihn als den wohl erkennen müßte, der er auf der Erde im Fleische war, so würde das den Glauben festen, und die Menschen würden dann auch sicher nach seiner Lehre leben. Aber das ist unseres guten Wissens noch nie geschehen, und so ist es auch ganz natürlich, daß die Menschen stutzig und ungläubig werden. Daß nun und schon seit lange her der Tempel nahe ganz antimosaisch geworden ist, davon liegt der Grund hauptsächlich in dem von mir Gesagten wie auch darin, daß die von uns getrennten Sadduzäer ganz offen an keine Unsterblichkeit der Seele mehr glauben. Und wer kann ihnen aus einem vernünftigen Grunde, strenggenommen, unrecht geben? Und so sind die Templer eigentlich denn doch nicht ganz allein schuld an der Argheit, die nun im Tempel waltet, sondern die alte Beweislosigkeit für ein Leben nach des Leibes Tode. Fehlen dafür haltbare und sichere Beweise, so fällt auch der Glaube an einen Gott von selbst weg; und glaubt man auch noch an ein Dasein Gottes, so hat man doch keine rechte Achtung und Liebe zu Ihm und betrachtet Seine den Menschen gegebenen Gebote als eine Erfindung der Menschen, die zu einer gewissen Zeit und für ein damals gewesenes Lebensverhältnis der Menschen recht gut sein mochte, aber für die Gegenwart kaum mehr anwendbar ist. Ich sage das nicht darum, um etwa uns hier und den Tempel beschönigen zu wollen; aber eine Unwahrheit ist es eben auch nicht, daß es also war und nun auch noch also ist.

[6.224.11] Du, Herr und Meister, ausgerüstet mit aller Fülle des Geistes Gottes, bist uns nun freilich wohl der kräftigste Beweis und Bürge für ein ewiges Leben der Seele nach dem Tode; aber außer uns gibt es noch zahllos viele Menschen, die dieses kräftigsten Beweises immer entbehren werden. Kann es ihnen etwa zu einer Schuld gerechnet werden, wenn sie an kein ewiges Leben nach des Leibes Tode glauben und etwa die Sonne oder das Feuer als eine Gottheit anbeten? Wäre es da denn nicht möglich, daß wenigstens die verstorbenen Eltern zu ihren Kindern kämen und ihnen sagten, was sie nach dem Abfalle des Leibes zu erwarten haben, was die Seele ist, und wie sie aussieht?

[6.224.12] Aber so etwas geschieht nicht, und so ist denn alles über das Jenseits Gesagte eine Art Fabel, an die nur ein schwachsinniger Mensch glauben kann, die aber ein tiefer Denkender nie völlig als eine Wahrheit annehmen kann! Und wir Priester tun sogar etwas Gutes, wenn wir das Volk in der möglichst größten Blindheit erhalten und ihm allerlei nach dem Jenseits duftende Spektakel mit großem Pomp und Ernste vormachen. Denn würden wir unsere tiefere Verstandesbildung dem Volke geben, so wäre es mit dem Judentume bald zu Ende, und die Menschen würden sich bald in einem unbeschreibbar gräßlichen Zustande befinden.

[6.224.13] Wir Priester allein halten das Volk im Zaume und eifern es an, die Erde fleißig zu bearbeiten und uns den Zehent gewissenhaft zu geben, – und es ist damit zufrieden. Aber freilich hat diese Zufriedenheit dann bald ein Ende, wenn ungebetene Propheten alle Augenblicke im Volke erscheinen und es gegen uns aufwiegeln. Ich meine hier nicht Dich, Herr und Meister, da Du kein Prophet, sondern der Herr Selbst bist; nur solche Propheten meine ich, wie ich sie ehedem angezeigt habe.

[6.224.14] Habe ich nun recht geredet und die Sache unseres Glaubens, wie er ist, der Wahrheit nach beleuchtet oder nicht? Ich werde für eine jede bessere und wahrere Belehrung jedermann gewiß sehr dankbar mich erweisen; denn es ist durchaus kein Scherz, stets an den Tod und an die sichere und ewige Vernichtung zu denken, gegen die man in aller Welt keinen Gegenbeweis finden kann. Denn alles stirbt und vergeht und kommt nicht wieder. Sogar der Stein verwittert und löst sich in den flüchtigen Staub auf, aus dem kein harter Stein mehr wird, wie auch kein Mensch je mehr aus dem Grabe auferstehen wird an irgendeinem jüngsten Tage, obwohl wir solches das Volk lehren müssen! – Ich habe geredet.“

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