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Großes Evangelium Johannes

36. — Der Herr und der römische Hauptmann

[10.36.1] Am Morgen früh war der Wirt der erste auf den Füßen und ordnete alles zur Bereitung eines guten Morgenmahles an, worauf sein Weib und seine Kinder und seine andern Diener und Mägde in volle Tätigkeit gesetzt wurden. Wir erhoben uns aber auch gleich darauf von unseren Ruhestühlen und Bänken am Tische und begaben uns ein wenig ins Freie; denn man genoß von dieser Stadt aus eine recht herrliche Aussicht über einen großen Teil des schönen Jordantales und über die weite und breite und noch sehr fruchtbare Hochebene.

[10.36.2] Dieser Morgen verlief aber doch nicht so ruhig wie die Nacht; denn als wir wieder ins Haus zum Morgenmahle zurückkehrten, da fanden wir vor dem Hause schon viel Volkes, das zumeist aus Heiden bestand. Der schon erwähnte Hauptmann mit noch einigen seiner Untergebenen fehlte auch nicht und ebenso auch der alte Rabbi.

[10.36.3] Alle diese erkundigten sich emsig nach dem Wunder der Heilung des gichtbrüchigen Sohnes, welches die Befragten also erzählten, wie es vor sich gegangen ist, worüber alle über alle die Maßen erstaunten.

[10.36.4] Und der Hauptmann sagte darauf mit ganz ernster Miene: „Wisset ihr was?! Ein Mensch, der solche Dinge ohne alle Beihilfe irgend äußerer Mittel zustande zu bringen vermag, ist ein Gott und kein Mensch mehr! Ich habe auch schon zu mehreren Malen von gewissen Zauberern Wunder wirken sehen, – aber da bin ich bald dahintergekommen, wie sie solche Wunder wirkten; wer aber kommt da auf eine Spur, wie dieser Mensch den Kranken geheilt hat?“

[10.36.5] Einige meinten wohl, daß ich mit andern Magiern das gemein hätte, daß auch Ich eine recht zahlreiche Begleitung bei Mir habe und man denn doch am Ende nicht wissen könne zu welchem eigentlichen Zweck.

[10.36.6] Der Hauptmann aber blieb bei seiner Behauptung, ließ sich nicht irremachen und sagte: „Seine Begleiter werden wohl nie vermögen, Sein Wort und Seinen Willen zu stärken; denn bei der Heilung eines solchen Kranken, wie der Sohn des Judenwirtes es war, kann durch eine gewisse Verabredung oder durch ein geheimes Einverständnis niemals etwas bewirkt werden. Wir könnten alle hier dahin einverstanden sein, unseren Willen fest dahin zu richten, daß meine auch schon über drei volle Jahre an einer unheilbaren Krankheit daniederliegende älteste Tochter gesund werde, und wir werden damit nichts ausrichten; wird aber dieser Mann das ganz allein wollen, so wird meine Tochter sicher alsbald ebenso gesund werden, wie da gesund geworden ist dieses Wirtes Sohn!“

[10.36.7] Also besprachen sich vor dem Hause des Wirtes die Menschen über Mich, während Ich Mich mit den Jüngern schon beim Morgenmahle befand; denn wir kehrten von der vom Volke nicht bemerkten Rückseite ins Haus, und die Hausleute und Kinder des Wirtes aber hatten von ihm den Auftrag, Meine Anwesenheit nicht zu verraten, außer es erhielte jemand von Mir Selbst einen Auftrag dazu. Also durften sie auch von der wunderbaren Weinkreirung nichts reden zum Volke.

[10.36.8] Als wir mit dem Morgenmahle zu Ende waren, da sagte Ich zum Wirte: „Nun laß du den Hauptmann mit seinen Untergebenen, den alten Rabbi und den griechischen Herbergswirt zu uns hereinkommen, und Ich werde mit ihnen reden!“

[10.36.9] Darauf eilte der Wirt schnell hinaus und hinterbrachte das den Genannten.

[10.36.10] Diese folgten auch sogleich dem Ruf, und als sie sich bei uns im Zimmer befanden, da fragte der Hauptmann sogleich den Wirt nach Mir.

[10.36.11] Und der Wirt führte ihn zu Mir und sagte: „Vor Dem, der auf diesem einzelnen Stuhle sitzet, werde ich allzeit meine Knie beugen!“

[10.36.12] Sagte darauf der Hauptmann: „Auch ich, mein Freund!“

[10.36.13] Hierauf machte der Hauptmann eine tiefe Verbeugung vor Mir und sagte darauf: „Großer Meister, ein nie erhörtes Wunder hast Du allein in diesem Hause gewirkt und mir dadurch ein Zeugnis gegeben, daß Du kein Mensch unseresgleichen, sondern vollwahr ein Gott sein mußt! So Du aber das unfehlbar bist, da erweise uns die große Gnade und sage uns, wie wir denn mit unseren verschiedenen Glaubenssachen daran sind!

[10.36.14] Ich habe alles durchgeprüft: unsere Vielgötterlehre, die Meinungen der altägyptischen, der griechischen und unserer römischen Weltweisen. Dann habe ich auch der Juden Eingottlehre, alle ihre Propheten und Weisen genau durchforscht, die wohl schwer zu verstehen sind und großenteils aber auch gar nicht, weil sie eine zu phantastische, oft ganz unzusammenhängende Sprache führen und Bilder aufstellen, die wohl sie mögen verstanden und begriffen haben, aber außer ihnen wohl sicher sehr wenige. Ebenso habe ich auch mit vielen aus den fernsten Morgenländern in Hinsicht der übersinnlichen Dinge, über ihre Götterbegriffe und über das wie geartete Fortleben der Menschenseele nach dem Tode gesprochen, wie auch mit den Menschen im Süd- und Nordwesten Europas.

[10.36.15] Was aber habe ich daraus gefunden? Ich sage es offen: Alles andere, – aber nur das nicht, was ich suchte, nämlich eine mich überzeugende und mir begreifliche Wahrheit.

[10.36.16] Der Glaube an ein oder auch mehrere unsichtbare Gottwesen ist wohl allenthalben vorhanden, – aber wie verschieden! Es ist nicht nötig, hier den nahezu endlosen Wust aller der transzendenten Phantasien der Menschen in bezug ihres Gott- und Seelenfortlebens nach dem Leibestode anzuführen, sondern es handelt sich hier nur um die wahre Lebensfrage: In welcher Lehre ist die Wahrheit? Haben alle die verschiedenen Vielgötterglauber recht, oder die Eingottglauber?

[10.36.17] Wenn wir unsere römischen Rechtsgesetze betrachten, die sicher nahe durchaus gut und somit für den Fortbestand der Menschen- und sogar Völkergesellschaften wohl die tauglichsten sind, so scheint denn auch unsere freilich schon sehr verunstaltete Vielgötterlehre, die am Ende doch den Grund zu unseren weisen und möglich gerechtesten Staatsgesetzen bildete, noch immer am meisten zu beachten zu sein. Aber die jüdische Eingottlehre, die mit der urägyptischen viel Ähnlichkeit besitzt, scheint dennoch der großen Lebenswahrheit um vieles näher zu stehen, obschon sie nun unter den Juden um vieles verunstalteter ist denn die unsrige; denn man betrachte nur mit einigem Scharfblick das höchst gott- und gewissenlose Tun und Treiben der Judenpriester in Jerusalem, und man wird es um gar vieles dümmer und ärger finden und anerkennen müssen denn das unserer vielgestaltigen und verschiedenartigen Priester.

[10.36.18] Du göttlicher Wundertäter wirst mir da sicher mit wenigen Worten das rechte Wahrheitslicht zu geben imstande sein!“

[10.36.19] Sagte Ich: „Mein Freund Pellagius und Hauptmann von dieser und drei andern Städten, als von Abila, Golan und Aphek! Ich kam hauptsächlich nur deinetwegen hierher, da Ich wohl wußte, daß du schon seit beinahe dreißig Jahren die Wahrheit eifrig suchtest, sie aber doch nicht zu finden imstande warst.

[10.36.20] Weil du aber die Wahrheit also suchtest wie gar wenige deines Volkes und Ranges, so bin Ich als die ewige Urwahrheit Selbst zu dir gekommen, und du hast in Mir auch schon die vollste, hellste und reinste Wahrheit gefunden, und Mein Licht wird dich also durch und durch erleuchten, daß du selbst noch zur Leuchte für viele andere werden wirst.

[10.36.21] Aber deine älteste Tochter Veronika ist krank, und es kann ihr kein Arzt helfen; so du glaubest und wünschest, da soll es besser mit ihr werden!“

[10.36.22] Sagte der Hauptmann, ganz zerknirscht vor Freude: „Ja, Herr und Meister voll göttlicher Kraft, ich glaube das, wie vielleicht nur wenige im ganzen Judenreiche, und wünschte der Tochter Heilung auch sicher, als ihr Vater, mehr denn aus allen meinen Lebenskräften; aber ich bin ja gar nicht würdig, daß Du Heiligster unter meines Heidenhauses Dach trätest und heiltest daselbst meine dem Tode schon ganz nahe stehende Tochter.

[10.36.23] Daß ich aber Deinen Worten sicher den vollsten Glauben leihe, beweist schon das, daß ich mich gar nicht verwundert habe, als du als ein Fremder, der diese Gegend noch nie besucht hat, um Meinen Namen wußtest, den ich ehrenhalber von dieser Stadt erhielt, und um mein Regiment über die drei noch von Dir genannten Städte und nun auch um den Namen meiner kranken Tochter wußtest; denn mein Gemüt sagte es mir ja, daß Du ein Gott bist und Dir alles möglich ist. Ich glaube denn auch, daß meine Tochter sicher gesund wird, so Du über sie nur ein Wort sprichst!“

[10.36.24] Sagte Ich: „Wahrlich, solch einen Glauben habe Ich im Volke Israel nicht gefunden! Und so geschehe dir denn auch nach deinem Glauben! Sende nun nach Hause, und laß deine nun schon gesunde Tochter hierher bringen, auf daß sie sich stärke mit diesem Weine und Brote!“

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