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Die Fliege

Entstehung der Fliege.

Am 8. März 1842.

[1.1] Die Fliege, ein kleines Thierchen zwar, und nicht selten lästig dem Menschen, wie auch vielen andern lebenden Geschöpfen der Erde, besonders zu jener Zeit des Jahres, da der Sonne Strahlen heftiger den Boden der Erde berühren, ist aber dennoch in der Ordnung der Dinge so unbedeutend nicht, und auch nicht also zwecklos, als sie eben zu sein scheint.

[1.2] Um das Alles vollkommen und nützlich einzusehen, wollen wir eine kleine Vorbetrachtung über die natürliche Beschaffenheit dieses Thierchens machen.

[1.3] Es wäre wohl überflüssig, euch die Gestalt der eben zu besprechenden Fliege der Form nach kund zu geben, nachdem ihr doch schon ganz sicher werdet mehrere Fliegen gesehen haben; aber ihre denkwürdigen Einzelnheiten und die Art ihrer Entstehung sind da auf keinen Fall zu umgehen, sondern mit recht vielem Fleiße und aufmerksamen Geistes zu beachten.

[1.4] Wie entsteht demnach die Fliege?

[1.5] Es wissen zwar Naturgelehrte, daß die Fliege eine Art Eier lege, welche also klein sind, daß sie vom menschlichen Auge kaum wahrgenommen werden, und haben daher auch ein so geringes Gewicht, daß sie gleich dem Sonnenstaube sich gar leicht in der Luft schwebend erhalten können.

[1.6] Wohin aber legt die Fliege ihre Eierchen? — da die Zahl dieser von einer Fliege gelegten Eierchen nicht selten Millionen übersteigt, und wo, und wie werden sie ausgebrütet? — Ihr habt sicher noch nie eine junge Fliege gesehen; die Mücklein aber sollet ihr ja nicht für junge Fliegen ansehen.

[1.7] Sehet, die Fliege legt ihre Eier, so sie einmal legreif geworden ist, überall hin, wo sie sich nur immer hinsetzt, und kümmert sich dann weiter gar nicht mehr, was mit ihnen geschieht; Millionen werden von den Winden in alle Weltgegenden geführt und zerstreut; Millionen kommen in das Wasser, ja, ihr könnet euch beinahe kein Ding auf der Erde denken, das da verschont bliebe von den Eiern der Fliege; so wie der Fliege selbst kein Ding gewisser Art zu heilig ist, darum sie sich nicht auf dasselbe setzen, und dasselbe beschnüffeln möchte. Also ist außer der glühenden Kohle und der lodernden Flamme auch beinahe kein Ding, das sie nicht mit ihren Eierchen beklecksen möchte.

[1.8] Wohin sonach die Fliege ihre Eierchen legt und wie sie aussehen, wüßten wir jetzt schon; wie sie aber ausgebrütet werden? und wie viele von den unzählbar gelegten, davon soll sogleich die Rede sein.

[1.9] Alle diejenigen Eierchen, welche entweder an feuchten Mauerstellen der Häuser, vorzugsweise der Thierstallungen, oder an faulem Holze, oder was immer anderem, Moderfeuchtigkeit Haltendem, gelegt werden, kommen fast meistens davon, was aber da ein Raub der Winde und des Wassers geworden ist, davon werden freilich wohl unbeschreiblich wenige zu Fliegen ausgebrütet; obschon dessen ungeachtet nichts verloren geht, daß es eine andere weise Bestimmung verfehlen sollte, ja sogar diejenigen nicht, welche von Menschen und Thieren nicht selten zu Millionen mit einem Athemzuge eingeathmet werden; — doch lassen wir diejenigen, welche denen andern vielen Bestimmungen zugeführt werden, und wenden uns sobald zu denjenigen, welche da ausgebrütet werden.

[1.10] Wie also werden denn diese ausgebrütet?

[1.11] Sehet, wenn die Sonne einmal hinreichend die Erde zu erwärmen anfängt, da fangen diese Eierchen auch an zu wachsen, bis sie einmal so groß werden, daß sie auch ein mittelmäßig scharfes Auge zu entdecken im Stande ist, und zwar als einen weißlich blauen Blumenstaub, natürlich an den Stellen nur, da sie von der Fliege hingelegt wurden; das ist dann die Zeit der Ausbrütung, welche also vor sich geht:

[1.12] Die Eierchen springen da auf, von den erwachten Geistern der in einem solchen Eierchen angesammelten, ordnungsmäßigen Vorgangsthierchen genöthigt. Diese Geister vereinigen sich in der Gestalt eines kaum sichtbaren kleinen weißlichten Würmchens zu einem Leben. Dieses Würmchen nährt sich dann einige Tage von der Feuchtigkeit der Stelle, da es ausgebrütet wurde, welche Nahrungszeit eben nicht gerade bestimmt ist, sondern allzeit von dem Umstand der Reichlichkeit des vorhandenen Nahrungsstoffes abhängt.

[1.13] Jedoch bis daher geht es mit der Zeugung der Fliege ganz natürlich vor.

[1.14] Ich habe euch aber gleich Anfangs gefragt, ob ihr noch nie eine junge Fliege gesehen habt? — Sehet, darin liegt das eigentliche Wunder dieses Thierchens begraben: Es ist auf einmal da, und ganz vollkommen ausgebildet, und Niemand weiß nun, woher es kam, und wo dessen Geburtsort ist;

[1.15] wie geschieht denn dieses Wunder?

[1.16] Ihr habt vielleicht schon dann und wann gehört von alten Leuten sagen: die Fliegen entstehen zum Theile aus einer Art Staub und zum Theile aus den zerstäubten Körperteilen alter, todter Fliegen. Dem Anscheine nach ist es wohl also; aber der Wirklichkeit nach freilich wohl nicht;

[1.17] denn so das Würmchen einmal die rechte Größe erhielt, welche ungefähr die Ausdehnung hat, als ein kleiner Beistrich bei einer mittelmäßig großen Schrift, sodann zerplatzt das Würmchen, und zerleget dadurch das Innere nach Außen; allwann dann die frühere Außenhaut des Würmchens zum eigentlichen Leibe der Fliege sich ausdehnt, wohlversehen mit allen den inneren Verdauungsgefäßen; die frühere Innenseite des Würmchens aber dann die äußern sichtbaren Theile der Fliege hervorbringt, welche, sobald diese Umkehrung vor sich ging und sie mit der äußern Luft in Berührung kommen, binnen längstens fünf bis sieben Sekunden zu ihrer vollkommenen Ausbildung gelangen, bei welcher Gelegenheit die Fliege auch ganz vollkommen fertig ist.

[1.18] Sehet, das wäre demnach die Geburt, oder vielmehr die gewiß nicht wenig merkwürdige Entstehung der Fliege, und muß jedem Beobachter wunderbar genug vorkommen. Allein dieses Alles ist dessen ungeachtet noch das am wenigsten Wunderbare bei diesem Thiere. Was da noch folgen wird, in der möglichen Kürze, darüber werdet ihr euch erst groß erstaunen und verwundern, und so lassen wir dieses Merkwürdige an einem nächsten Tage folgen.

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